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Die Uhren ticken anders

 

VENEZUELA und das Öl

 

Sanktionen treffen immer das Volk

 

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Venezuela umfasst eine Fläche von über 900.000 km2. Damit ist das Land dreimal größer als Deutschland. In Venezuela wohnen 31 Millionen Menschen. Nach der Unabhängigkeit 1811 von der Kolonialmacht Spanien herrschte erst seit 1999 eine sozialistische Regierung. 1998 wurde Hugo Chávez mit 56 Prozent zum venezolanischen Präsidenten gewählt. Im Jahr 2000  ließ er sich durch ein Referendum mit 60 Prozent im Amt bestätigen. Seit 2014 ist der Nachfolger des bisherigen Präsidenten im Amt. Es ist der heute umstrittene Nicolás Maduro.

 

Aktuell sind Venezuela und sein Präsident Maduro in aller Munde. Ob hierbei immer die objektiven fakten auf den Tisch kommen, darf bezweifelt werden. Oft sind die Meinungsbilder zu einseitig. Fakten werden ausgelassen oder sinnentstellt. Wenn gar nichts mehr hilft, soll die Kommunismus-Keule überzeugen. Zuletzt ein böswilliges Meinungsbild, welches der Situation in dem tief gespaltenen Land nicht weiterhilft. Auch nicht der Gerechtigkeit oder Demokratie im Südamerikanischen Land. Um letztere geht es den Meinungsmachern schon mal gar nicht. Auch um das Wohl und Leben der Menschen nicht. Somit auch nicht um Menschenrechte. Im entfernten Deutschland schon mal gar nicht. Hierbei wird internationales Völkerrecht mit zweierlei Maß gemessen. So wie es gerade gefällt. Im Schatten des großen Bruders Trump und seiner Administration. Der unausgesprochene Vorwurf an den Präsidenten Venezuelas ist, dass er nicht mit den USA und der übrigen “Wertegemeinschaft” kooperieren will. Schließlich befinden sich unter dem Hoheitsgebiet Venezuelas gigantische Ölvorkommen. Und nur die wecken Begehrlichkeiten.

NWZ-Venezuela-19-01e

NWZ, 23. und 24.01.2019

Was soll man zu solchen Meinungsbildern nochsagen. Sie erschlagen jeden, der eine ausgewogene Meinung vertritt. Auch wenn Kommentare subjektive Meinungsbilder wiedergeben, sollte zumindest der Pressekodex nicht zu arg strapaziert werden. Wahrhaftigkeit und Menschen- würde in Zweifel zu ziehen, wird zum Fass ohne Boden. Die Verrohung der Presse nimmt zu. Hat dieser Trend nun auch die Nordwest-Zeitung infiziert?

NWZ-Venezuela-19-01f

Schaut man die beiden Kommentare an, so offenbaren sie nur scheinbar ein für und wider. Zuletzt sind sie gegen Nicolás Maduro gerichtet. Ganz im Sinne einer westlichen Anschauung, die ihre eigenen handels- und weltpolitischen Interessen vertreten sehen möchte.

Zunächst sollten sich alle Meinungsmacher darüber einig sein, dass in Venezuela – wie in vielen anderen Ländern der Erde auch- die Uhren ganz anders ticken als in Deutschland. Die Mentalität der spanisch sprechenden Menschen ist eine andere. Wer das prüfen möchte, sollte nicht unbedingt die „City of Caracas“ zum Maßstab nehmen. Hinzu kommt nun der von außen angeheizte Machtkampf zwischen den ehemaligen spanischen Eliten. U.a. zwischen den wohlhabenden Teil der Bevölkerung und der Masse der Bevölkerung. Das sind vor allem die indigenen Bewohner der ländlichen Gegenden. Es darf als Erfolg gelten, diese Menschen überhaupt an die Wahlurne zu bekommen. Wenn dann schließlich gewählt wurde, ist es äußerst schwierig, den korrekten Verlauf der Wahl festzustellen. Schließlich existiert in Venzuela kein verlässliches Mobilfunknetzt, wie es fast ganz Europa kennt. Nach den Wahlen von Wahlbetrügereien zu sprechen, ist mit einem guten Willen nicht vereinbar. Unter den dortigen Umständen also wäre Wahlbetrug nur schwer nachweisbar.

Das eigenartige Ticken bekommt auch die venezolanische Politik zu spüren. Ihre Parlamentsarbeit ist nicht vergleichbar mit der im deutschen Bundestag. Dort geht es rauer zu, hier dagegen nicht immer vorbildlich. Leider werden die Meinungsbilder und Berichte in der Presse diesen Unterschieden nicht gerecht. Eine solche Berichterstattung ist dann eher manipulativ als objektiv.

Ist der Kommentar „An der Zeit“ von Stefanie Dosch noch als Meinungsbild akzeptabel, so hat Alexander Will, „Tyrannen-Freude“ eine Grenze überschritten: Anstelle des Faktischen herrscht die journalistische Unbesonnenheit. Hierbei schießt Kommentar den Vogel ab in punkto hetzerischer Propaganda, die im Rundumschlag alle Register der Unsachlichkeit zieht. Außergewöhnlich radikal für die sonst moderatere Nordwest-Zeitung. Mit Wortkonstruktionen wie „faschistoide Antidemokraten“, Wahlfälschung“, Gleichschaltung der Presse“, „Musterdemokraten“, „Diktatoren“, „ideologisch getrieben, kollektivistische Herrschaft“, „Partei im politischen Lotterbett“, „Diktatorengeschmuse“ oder „Mauermörder-Partei“ verunglimpfen sich sowohl der Kommentator als auch die Nordwest-Zeitung nur selbst. Der Bildzeitungsstil lässt grüßen.

Dass z.B., Merkels Darling, die Vereinigten Arabischen Emirate erst gar kein Parlament vorzuweisen haben, bleibt natürlich unerwähnt. „Antidemokraten“?. Das islamisch-konservative Königreich gehört zu den Ländern mit den meisten Todesurteilen weltweit. Kritik daran? Die bleibt für den Hautabnehmer der Deutschen Waffenexporte außen vor. Und natürlich denkt Merkel auch nicht daran, den Wüstenstaat zu freien Wahlen aufzurufen. Eigentlich sollte es heißen, ab in die Tonne mit solchen Kommentaren, wie es Herr Will soeben zustande gebracht hat! Erst recht, wenn sie an Verbal-Brutalität nicht mehr zu übertreffen sind. Für die jungen Leser, die die Nordwest-Zeitung mit vielen ihrer Ausgaben ebenfalls erreichen möchte, sollte diese Seite gesperrt werden. Die Facebook-Polizei ist hierfür leider nicht zuständig! Ansonsten wäre der Chefredakteur seiner Verantwortung teilweise entbunden.

Völlig daneben auch der angedeutete Vergleich mit der ehemaligen DDR von 1989. Dort war es die Parole „Wir sind das Volk“, in Venezuela ist sie bestenfalls „Wir sind die Opposition.“ Eine Diktatur ohne Volk damals in der DDR, eine Regierung mit vielen Anhängern und vielen Oppositionellen zugleich im heutigen Venezuela. Letztere unter Führung des venezolanischen Umstürzlers Juan Guaidó, der nun mal nicht der gewählte Präsident des Landes ist. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Warum die Europäische Union das anders sieht, bleibt ein Rätsel.

Ach ja: Die westlichen Handelsstaaten erkennen die Wahl nicht an. 120 andere tun es trotzdem. Nach Gründen hierfür sucht man im Kommentar vergeblich! Auch kein Hinweis darauf, dass für Bundesregierungen der früheren Zeiten die klare Regelung gab, keine Personen und Regierungen, sondern Staaten anzuerkennen. Dabei verbot man die Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten. Für die derzeitigen Regierungsverantwortlichen scheint das alles nicht mehr zu gelten. Allen voran die USA und das Werte-Europa, die in inniger Verbundenheit die Moralkeule schwingen. Regeln gelten scheinbar nur dann, wenn es passt.

Der äußerst zweifelhafte Wahlgang im Kongo z.B. war dann nicht der Rede wert. Der neugewählte Präsident; Félix Tshisekedi, kooperiert ohnehin mit den ausländischen Investoren, was ihn zum „Musterdemokraten“ befördert und ihn zugleich sehr reicht macht. Die Bevölkerung dagegen hat das Nachsehen in dem bitterarmen und rohstoffreichen Land auf dem afrikanischen Kontinent. Ähnliches in Äthiopien: Dort haben sich westliche Agrarunternehmen breit gemacht. Die Landbevölkerung hat das Nachsehen. Sie ist ihrer Bewirtschaftungsgrundlage beraubt. „Hunger“ und Mangelernährung? Für Herrn Will kein Thema dort, wo westliche, auch deutsche, Wirtschaftsinteressen vertreten werden.

Die Menschen sowohl im Kongo als auch im Äthiopien bleiben also weiterhin die Verlierer und natürlich bitterarm. Die Kritik erst gar nicht vorzubringen, obwohl sie zur Ausgewogenheit dazugehört, darf letztendlich als Investition in die extensiven Fluchtursachen verstanden werden. Von wegen, Fluchtursachen bekämpfen. Was in Afrika, aber auch in Südamerika, stattfindet, ist genau das Gegenteil.

Warum es nicht legitim sein soll, einen Putschversuch konsequent zu verurteilen, lässt Herr Will ebenfalls offen. Die Rückbesinnung auf vergangene Vorfälle könnte die Zusammenhänge wieder geraderücken. Z.B. war der nunmehr vergessene Putsch in Ägypten kein allzu öffentliches Thema. Dort nämlich wurde der demokratisch gewählte Präsident Mohammed Mursi durch den Umstürzler Abd al-Fattah as-Sisi aus dem Amt gedrängt. Damit die dortige Bevölkerung nicht zu aufmüpfig wird, wurde vor kurzem das Tragen von Gelben Warnwesten unter Strafe gestellt. Natürlich käme die ägyptische Regierung in arge Schwierigkeiten, wenn die Demonstranten dort so erfolgreich wären, wie z.Zt. in Frankreich.

Es waren die französischen Gelbwesten, die ihren prügelnden Präsidenten mittlerweile in die Knie gezwungen haben. Emmanuel Macron nämlich versteht unter Reformen Lohn- und Rentenkürzungen für das Volk, Steuererleichterungen für die Eliten. Ausführliche Berichte darüber sucht man vergeblich! Selbst in der Aachener Zeitung! Auch die mediale Aufarbeitung des Putschversuchs in der Türkei vor über zwei Jahren wurde am Ende von relativ wenig Kritik begleitet. Schließlich wollte man den Bündnispartner Erdogan nicht vergraulen. Er hat sich vertraglich dazu verpflichtet, die Flüchtlingsflut von Europa fernzuhalten. Selbstverständlich gegen gute Bezahlung. Unter Aushebelung der Menschrechte. Aber, wen interessiert´s noch? So viel zum „Diktatorengeschmuse“.

Stichwort „Hyperinflation“: Was wäre, wenn Herr Will dieses mal genauer mit den nötigen Zusammenhängen erklärt hätte? Ist dieser Umstand nur dem derzeit regierenden Präsidenten in Venezuela anzukreiden? In den suggerierten Ausmaßen, wie sie von Herrn Will beschrieben werden?

Die Hyperinflation ist hauptsächlich eine Folge von Sanktionen. Wer wie Venezuela, vom internationalen Geldfluss, von einer Leitwährung wie den US-Dollar, ausgeschlossen ist, kann nur die eigene Währung einsetzten. Das Ãœbel verschärft sich durch die Verkäufe von Erdöl, der haupteinnahmequelle des Landes. Wenn dann lukrative Umsätze zu verzeichnen sind, strömen immer mehr Venezolanischer Bolívare ins Land. Die damit verbundene Inflationsspirale ist bekannt unter Bezeichnung „ holländische Krankheit“, eine Erfahrung, die die Niederlande ohne die Inanspruchnahme einer Leitwährung gemacht haben. Nun sind sie eines besseren belehrt. Wenn also die USA, unterstützt von Europa, Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela verhängt, treffen sie unmittelbar das Volk. Die Menschen Venezuela werden abgeschnitten von Nahrung, von Medikamenten und vielen weiteren lebenswichtigen Gütern, die importiert werden müssen.

Sanktionen schneiden lebensnotwendige Mittel ab. Mit diesen hätte die venezolanische Regierung ihrer wirtschaftlichen Rezession entkommen können. Aber es folgte ein dramatischer Rückgang der Ölproduktion und die Wirtschaftskrise verschlimmerte sich weiter. Lebensrettenden Medikamenten wurden Mangelwahre. Viele Menschen starben. Ihnen fehlte der Zugang zu wichtigen Medikamenten.

Verelendung und „Massenflucht“ sind direkte Folgen dieser Sanktionen. Nach dem Vorbild in Syrien, Nordkorea und neuerdings auch im Iran, auch wenn letztere Nation erst im Anfangsstadium. Deutschland allerdings hat die Unterstützung der iranischen Sanktionen bereits abgesagt. Nicht etwa wegen der vollkommenen Demokratisierung oder den vorbildlichen Menschenrechten dort, sondern weil die Handelbeziehungen zum Iran bestens klappen, wobei die Umsätze blendend ausfallen.

Mit Hilfe von Sanktionen macht es sich der Wertewesten zur Strategie, ”unpassende” Regierungen in die Knie zu zwingen. Nämlich dadurch, dass „Millionen gegen ein Regime auf die Straße [gehen], das [angeblich] Hunger, Massenauswanderung [Massenflucht], Hyperinflation, Wahlfälschung, Gleichschaltung der Presse und Terror gegen die Opposition zum Normalzustand gemacht hat.“ Letztendlich herbeigeführt mit Unterstützung der westlichen „Wertegemeinschaft“.

Und die weiteren Aussichten sind: Wenn das alles nicht hilft, wie nach dem missglückten Putschversuch in Venezuela festzustellen ist, dann droht die militärische Intervention der USA. Wer diese dann gutheißen wird, steht bereits fest. Schließlich wurde dieses Szenario seit Monaten auf geheimen Treffen mit Diplomaten in Kanada, Brasilien, Kolumbien und den USA gut vorbereitet. Evtl. muss der von der USA und der Europäischen Union „gewählte“ Interimspräsident, Juan Guaidó, noch ausländische Mächte zur Hilfe rufen. Und wenn es nach Meinung der Invasoren ginge, bliebe das Völkerrecht unter Anwendung dieses Schachzuges ungebrochen.

Nach einem erfolgreichen Unternehmen wird der nächste Akt heißen, die venezolanische Opposition in Stellung zu bringen. Die öffnen nunmehr den Ölhahn für ausländische Investoren und es kehren kongolesische Verhältnisse ein. Für Venezuela wird möglicherweise das deutsche IFO-Institut den Wirtschaftshype verkünden, wobei sich die Millionäre unter den spanischen Eliten plötzlich vermehren, während der überwiegende Teil der Bevölkerung in die Röhre schaut. Wenig Lohn, wenig Rente, wenig Gesundheitsversorgung.

Dann ist der Sack zu und die venezolanische Demokratie wird neu ausgerufen. Auch unter dem Jubel der Europäischen Union. Unter dem Dirigat des Bundesaußenministers Heiko Maas (SPD) wird es heißen: Hurra, vorbei mit Drogenhandel und Kriminalität. Natürlich wird man es auch nicht lassen können, wiederum mit der museumsreifen Kommunismus-Keule in Richtung Osten zu drohen, wobei den „indigenen Bewohnern“ der Uckermark sicher eine Ausnahme gewährt wird.

Das venezolanische Öl jedenfalls wird in Strömen fließen. Vorbei an den Bewohnern des Landes. “Zum Glück” sind sie ja nicht alleine. Im Irak oder in Libyen kennen die Bewohner das bereits. Die Situation in Venezuela wird sich also verschlimmern und zu unnötigem menschlichem Leid, Gewalt und Instabilität führen. Aber darum geht politischen Maulhelden erst gar nicht.

Alles in Ordnung? Herr Will wird das schon so kommentieren. Oder?

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