In einer Erinnerung an das Cloppenburger Stadtgespräch von 2007
Bleibt der Euro ?
Ein Beitrag zur Europalwahl am 25. Mai 2014
HFB-14-05-06
Am 17. September 2007 hat der „Wirtschaftsweise“, Prof. Dr. Peter Bofinger, beim Cloppenburger Stadtgespräch einen interessanten Vortrag über das Thema „Wirtschaftsreformen in Deutschland“ gehalten. Seine klare Sprache faszinierte die Zuhörer in Ratssaal. In Hinblick auf die Europawahl am 25. Mai 2014 ist das Thema brandaktuell, denn der Erhalt des Euros ist von Wirtschaftsreformen vor allem in Deutschland abhängig. Der ehemalige Direktor für Globalisierung und Entwicklung bei den Vereinten Nationen, Prof. Dr. Heiner Flassbeck, greift das Thema im Wahljahr 2014 mit klarer Sprache auf. Anhand seiner volkswirtschaftlichen Theorie wird im Folgenden über ein hochexplosives Zusammenspiel zwischen Finanzmarkt und Exporthandel berichtet, wodurch der Fortbestand des Euro in Frage gestellt ist.
Ein Meinungsbild von
Dr. Hermann Bergmann
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Menschen, die sich einen Teil ihres sauer verdienten Geldes zur Seite legen, sind zu verstehen, wenn sie die Angst äußern, ihr Geld könne von heute auf morgen nichts mehr Wert sein! Denn eine schlechte Nachricht jagt die andere: Immobilienblase, Bankenpleite, Bankenkrise, Staatsschuldenkrise oder Staatsbankrott, sind nur einige der Schlagwörter, die diese Nachrichten zum Inhalt haben. Zypern war 2013 das Land, das zuletzt Schlagzeilen gemacht hat. Die Banken dort waren pleite! Ein Zehn-Milliarden-Euro-Rettungspaket wurde auf den Weg gebracht. Anleger mussten nun auch selbst für die Bankenrettung zu zahlen. Die Krise traf die Bank of Cyprus besonders hart. Großanleger haben hierdurch fast die Hälfte ihres angelegten Kapitals verloren. Sie mussten nicht ihre Schulden, sondern die der Bank begleichen. Ein Novum in der Bewältigung der europäischen Banken- bzw. Schuldenkrise.
Bereits 2008 wurden die Bürger der europäischen Union und der westlichen Welt von einem unerwarteten(?) Finanzcrash getroffen. Anschließend hat die Politik versichert, daraus gelernt zu haben. Doch bis heute (2014) ist nichts weiter geschehen, was auf eine nachhaltige Regulierung der Kapital- und Finanzmärkte schließen lässt.
Das “Casino” funktioniert also wieder wie zuvor. Wie vor 2008, vor dem großen Crash. Eine Jubelmeldung folgt der anderen. Im “Casino” entsteht der Mehrwert aus dem Nichts! Investition in Sachwerte dagegen finden in Deutschland -wie auch in der ganzen Welt- so gut wie gar nicht mehr statt. Das Hauptinvestitionsfeld bleibt weiterhin der Kapitalmarkt, der astronomische Gewinne verspricht. Hierdurch eilt der finanzielle Zyklus dem realen immer weiter voraus. Es bläht sich etwas auf, was nur ein jähes Ende finden kann. Somit ist der nächste Börsencrash bereits vorprogrammiert. Ein weiterer Sargnagel für den Euro. Nicht nur Europas Kapital- und Finanzmärkte bestimmen über das wirtschaftliche Schicksal der Menschen. Es sind die der ganzen Welt. Mit demokratischen Prozessen haben diese Märkte nichts zu tun. Doch im Europawahlkampf ist von alledem nichts zu hören. Die Wahlwerbung reduziert sich gänzlich auf die Politgrößen Schulz und Merkel, die den Wählern trotz der desolaten Zustände im Euroraum Demokratie, Frieden und Sicherheit versprechen.
Vertrauen weicht der Angst
Es ist nicht verwunderlich, dass die Bürger der gesamten Europäischen Währungsunion spätestens seit der Zypernkrise 2013 fürchten müssen, irgendwann selbst einmal Opfer von Bankenpleiten zu werden. Auch in Deutschland. Das anfängliche Vertrauen ist einer Angst gewichen, die das Misstrauen gegenüber dem Euro immer weiter schürt. Die Unsicherheit und der Unfriede über diese Zustände wächst. Aufgrund der schlechten Nachrichten ist das verständlich.
Der Euro soll auf Biegen und Brechen gerettet werden. Das ist vor allem das Ziel der jetzigen Bundesregierung. Verantwortlich hierzu zeichnen nach der Bundestagswahl 2013 die SPD und die CDU in der Großen Koalition (GroKo)! Die SPD-Mitglieder haben sich mehrheitlich zu einer GroKo bekannt und sie müssten wissen, dass sämtliche ESM-Garantieleistungen der Europäischen Union ca. 1.500 Milliarden ausmachen. Dieser Betrag ist die Bürgschaft für Kredite, die an schwächelnde EU-Staaten vergeben wurden. Im schlimmsten Fall stünden die Deutschen Steuerzahler (!) mit fast 400 Milliarden Euro in der Verpflichtung!
Bürgschaften sind Sicherheitsgarantien, die „Finanzhaie“ oder auch „Heuschrecken“ abhalten sollen, die Kapitalmärkte zu plündern! Hier stellt sich die berechtigte Frage, was der Euro noch wert ist, wenn solche Maßnahmen zur Sicherung seiner Stabilität immer und immer wieder ergriffen werden müssen. Denn in den vergangenen Jahren sind mehr und mehr Gelder für Kredite und Bürgschaften bereitgestellt worden. Vertrauen erweckt das nicht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bürger immer skeptischer auf den Euro schauen und seine Stabilität zu recht anzweifeln!
Was ist schiefgelaufen in der Europäischen Währungsunion (EWU)? Warum will es mit dem Euro nicht so recht klappen?
No-Bailout
Der Euro ist nicht bloßes Zahlungsmittel. Er ist in erster Linie ein Finanzsystem, das auch funktionieren sollte. Man müsste sich nur an die zuvor ausgehandelten Regeln halten. Vorbild für den Euro war das Finanzsystem der Vereinigten Staaten von Amerika. Die 50 Bundesstaaten verwalten ihre Einzelhaushalte eigenverantwortlich. Sollte sich dort ein Staat finanziell übernehmen gibt es keine Hilfe der übrigen Staaten. Das ist in einer „No-Bailout-Klausel“ festgehalten, die auch strikt eingehalten wird. Der Staatspleite, wenn sie überhaupt möglich erscheint, entkommen manche US-Bundesstaaten nur dadurch, indem sie ihre Haushaltsmittel kräftig kürzen, also sparen, was das Zeug hält. D. h. unter Umständen Standortauflösungen von Feuerwehr und Polizei, Massenentlassungen von Lehrern an allgemeinbildenden Schulen oder maximale Zurückhaltung bei den Straßensanierungen. So geschehen in Kalifornien unter dem Gouverneur Arnold Schwarzenegger.
Die „No-Bailout-Klausel“ war übrigens auch beschlossen in den Maastrichter Verträgen vom 7. Februar 1992. Keinem Land der Europäischen Union sollte Unterstützung zugebilligt werden. Auch nicht in finanziell aussichtslosen Lagen. Einem solchen Land wäre der Austritt aus der Währungsunion empfohlen worden. Aber was ist passiert? Es dauerte nicht lange und Griechenland geriet 2009/10 in die finanzielle Schieflage. Entgegen aller Absprachen beschlossen die Mitgliedsstaaten der EU, Griechenland Hilfskredite in Höhe von 80 Milliarden Euro zu gewähren.
Die „Büchse der Pandora“ war geöffnet. Wie es dann weiterging, muss hier nicht extra erwähnt werden. Nur soviel: Mittlerweile gehen Griechenlandhilfen in ein Fass ohne Boden. Die Menschen haben am allerwenigsten von den Krediten. Gezahlt wird in der Hauptsache, um die Zinsen bedienen zu können. Mit diesen Hilfen wird es nie mehr aufhören können. Ob das allen EU-Bürgern, die am 25. Mai 2014 zur Wahl gehen, bewusst ist, darf bezweifelt werden. Die Wahlwerbungen der etablierten Parteien wie SPD oder CDU vermeiden wohlwissentlich den Hinweis auf das Schuldenproblem, das den Euro in eine tiefe Krise gestürzt hat. SPD und CDU setzen andere Schwerpunkte. Die heißen z.B. Schulz und Merkel! 1
Aber nicht nur Griechenland ist das Sorgenkind der EWU. Zusätzlich sind es Spanien, Portugal, Irland, Italien und Frankreich, die ihre öffentlichen Kassen nicht mehr bedienen können. Das hat sich bis heute nicht grundsätzlich geändert. Auch wenn ein anderer Eindruck erweckt wird. Die kürzlich verkündeten Nachrichten, z.B. über den Primärüberschuss Griechenlands sind Schönfärbereien pünktlich zum Termin der Europawahlen. Portugal, Irland und Spanien haben inzwischen mit viel Presserummel den Rettungsschirm verlassen. Die Zinsen des Rettungsschirms unterscheiden sich nicht mehr groß von denen der freien Kapitalmärkte. Souveränität unter dem Schirm des freien Kapitalmarktes ist z.Zt. der Niedrigzinspolitik also nicht (viel) teurer. Und das macht sich auch viel besser vor der Europawahl. Doch eins muss klar sein: Die Schuldenkrise und die damit verbundene Euro-Krise sind auch in diesen Ländern immer noch voll im Gange. Nach dem Wahltag am 25. Mai 2014 wird den EU-Bürgern womöglich erst wieder reinerer Wein darüber eingeschenkt.
Spaltung des Euros: Nord versus Süd?
Aber zuvor machen sich bereits führende Experten Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Olaf Henkel, der nun auch der Alternative für Deutschland (AfD) beigetreten ist, plädiert für eine Spaltung der EU-Währung. Er favorisiert die Einführung eines Nord- und eines Süd-Euros. Der Süd-Euro wäre dann eben für die „Wackelstaaten“ Spanien, Portugal, Irland, Italien und Frankreich reserviert. Deutlich abgewertet (ca. 30%) gegenüber dem Nord-Euro versteht sich! Thilo Sarrazin schlägt in seinem Buch „Deutschland braucht den Euro nicht“ sogar vor, die (neue) Deutsche Mark wieder einzuführen. Was soll der Normalbürger davon halten? Für wen soll er sich am 25. Mai 2014 eigentlich entscheiden? Die Werbeslogans auf den Parteiplakaten helfen da auch nicht weiter. Sie stellen ausschließlich plakative „Freundschaftsanfragen“ von Schulz und Merkel in den Raum. Diese Reduktion der Europäischen Idee auf Schulz und Merkel erklärt den mündigen Wahlbürger für dumm.
Die Euro- bzw. Finanzkrise ist nicht vom Himmel gefallen. Man hat sich nicht nur verzockt, sondern auch die Vorgaben des Maastrichtvertrages missachtet. Folgen sind dann auch die schwächelnde Binnenkonjunktur, Kürzungen der Renten-, Sozial- und Gesundheitsleistungen oder die Einführung der Schuldenbremse für alle 16 Bundesländer Deutschlands ab 2020. Dass die Löhne und Gehälter seit Jahren stagnieren ist dagegen keine Folge der Euro- und Finanzkrise, sondern die Ursache an sich, die viele Länder Europas wirtschaftlich immer weiter abhängt. Aber dazu später mehr!
Was wird oder wurde also falsch gemacht, dass wir vor einem „Abgrund“ stehen, der uns alle erschrecken sollte? Auch Schulz und Merkel sollte er erschrecken, wenn sie es verstanden hätten, dass es immer noch die „Schwerkraft“ gibt! Geredet wird viel. Wahlaussagen zum eigentlichen Kern des Problems aber werden vermieden. Es wäre vielmehr eine Analyse gefragt, die einiges erklären könnte. Die es wirklich auf den Punkt brächte.
Regelloses Miteinander
Vor allem sollte man sich erneut fragen, was denn überhaupt im Maastrichter Vertrag von 1992 vereinbart wurde. Man wird schnell auf die Konvergenzkriterien stoßen, die das wirtschaftliche Miteinander der EU-Staaten untereinander regeln (sollten). Es lassen sich fiskalische und monetäre Vorgabewerte finden. Seitdem aber gegen die Kriterien verstoßen wird, funktioniert Europa nicht mehr. Einer der Verstöße bezieht sich auf die bereits erwähnte No-Bailout-Klausel: Keine Hilfen für marode Staaten. Wäre Griechenland rechtzeitig ausgestiegen, hätten wir keine derartigen Probleme mit dem Euro. Ein Fass ohne Boden gäbe es nicht. Europa wäre heute sicher sorgenfreier, aber nicht sorgenfrei. Es gibt einen weiteren Verstoß. Der kommt aus Deutschland und stellt das eigentlich gravierendste Problem dar. Man hatte sich 1992 darauf geeinigt, dass alle Länder der Europäischen Union eine Inflation (!) von ca. 2% im Jahr anstreben, um der Gefahr einer Deflation aus dem Wege zu gehen. Deutschland hat sich nicht daran gehalten. Da die Medien „Inflation“ immer wieder verteufelt haben, können die Bürger die „Inflation“ auch nur als eine Art „Teufelswerk“ verstehen. Viele Politiker teilen diese Ansicht und mit ihren Sonntagsreden über die angeblich verwerfliche Inflation demonstrieren sie ihre eigene Inkompetenz.
In der Eurozone gibt es keine verschiedenen Währungen mehr. Es gibt keine starke Deutsche Mark, die gegenüber einer Italienischen Lira ihre eigentliche Stärke erst durch Aufwertung erreicht. Wechselkurse sind seit der Einführung des Euro also tabu. Euro-Beitrittskandidaten hatten ihre Währungen bereits lange zuvor fest an den Euro gebunden. Sie konnten also nicht mehr verändert werden. Das galt auch für Deutsche Mark, bevor der Euro 2002 nach Deutschland kam! Nach 1923 und 1948 erfuhr Deutschland demnach seine dritte Währungsreform und es sollte alles noch viel besser werden, so die Versprechungen der Politiker.
Fass ohne Boden
Weil eben die Leistungen Volkswirtschaften unterschiedliche sind, müssen die Konvergenzkriterien streng eingehalten werden. Von entscheidender Bedeutung ist es, ausgeglichene Handelsbilanzen ausweisen zu können. Es darf zu keinem Exportüberschuss zwischen den Ländern der Europäischen Währungsunion kommen. Länder, die nur importieren, können nicht am Export verdienen. Ihre Handelsbilanz fällt negativ aus. Woher aber sollen diese Länder zuletzt ihr Geld nehmen, um Importe, wie z.B. Autos bezahlen zu können? Griechenland hat keine (bedeutende) Autoindustrie. Also ist Griechenland auf diese Importe angewiesen. Kann sie sich aber eigentlich nicht leisten. Die Einnahmen über den Olivenexport Griechenlands lassen sich nicht gegen rechnen, wie vieles andere auch. Griechenland importiert also bedeutend mehr als es über Exporte einnehmen kann. Das aber auf Pump. Griechenland lebt in der gegenwärtigen Schieflage des Eurosystems über seine Verhältnisse und ist auf Kredite angewiesen. Verschuldet sich immer mehr und Deutschland bürgt. Das System funktioniert u.a. deshalb, weil die Kapitalmärkte ungezügelt Geldwerte schaffen, die aus dem Nichts entstehen.
Aber warum bürgt Deutschland für Griechenland und für viele andere mehr? Das hat einen guten Grund: Wenn Deutschland das nicht mehr machen würde, fielen die EU-Exporte weg, die Deutschland angeblich so stark machen! Und es wäre wirklich so, dass die Wirtschaft in Deutschland dramatisch einbrechen würde, wenn (nur) Handelsbilanzüberschüsse stark zurückgehen. Also werden Rettungspakete geschnürt, die die Kaufkraft der Defizitländer (scheinbar) aufrechterhalten. Griechenland kann wieder Wahren aus Deutschland kaufen. Auf Pump! Jeder kann sich ausrechnen, dass ein solches System einmal ein jähes Ende haben wird. Und das alles deshalb, weil man die Vorschrift zur ausgeglichenen Handelsbilanz (permanent) missachtet. Das erinnert an ein Schneeballsystem, welches solange funktioniert wie die Kette nicht unterbrochen wird.
Fairer Wettbewerb?
Deutschland kann sich dieses Spiel überhaupt leisten, weil es nach unfairen Regeln spielt! Deutschland verschafft sich selbst die Wettbewerbsvorteile! Deutschland stellt Produkte her, die in der Europäischen Union konkurrenzlos billig sind. Volkswirtschaftlich spricht man von Lohnstückkosten, die so günstig ausfallen, dass kein anderes EU-Land mithalten kann. Wie auf dem freien Markt üblich, überlebt nur der, der seine Produkte möglichst billig herstellen kann. Und hier liegt der Fehler im Denken: Die Europäische Union darf auf diese Weise untereinander nicht in Konkurrenz treten. Die EU-Staaten sind keine Firmen, die man in die Pleite treiben darf. Dann funktioniert Europa nicht. Europa funktioniert nur, wenn die Handelsbilanzen vorschriftsmäßig ausgeglichen sind.
Aber in welcher Weise ist Deutschland unfair im Wettbewerb mit anderen Staaten der EU? Bekannt ist doch, dass Deutschland Qualitätsprodukte herstellt und eine starke Wirtschaft hat. Dann sollte man doch Vorteile haben, die ehrlich zu nennen sind. Alles richtig, aber es gibt Maastrichter Vorschriften zu beachten. Dass die Deutsche Wirtschaft niedrigere Lohnstückkosten vorweisen kann, ist volkswirtschaftlich schädlich für den EU-Handel. Die Wirtschaft der Europäischen Union kann so nicht funktionieren! Eigentlich müsste Deutschland seine Lohnstückkosten verteuern. Durch Aufwertung der Währung ist das nicht möglich, da der Euro in allen Ländern des Euroraums Zahlungsmittel ist. Das Niveau würde dann überall angehoben. Relative Unterschiede würden so nicht geschaffen.
Lohnsteigerung um mindestens 10% !
Aufwertung und Abwertung können nur durch die Löhne im produzierenden Land gesteuert werden. Der Euro könnte somit stärker oder schwächer werden. In Deutschland müssten die Löhne also kräftig steigen, um die Exporte teurer zu machen. Die Exporte andere Länder hätten nun wieder eine Chance, konkurrenzfähig zu werden. Dort würden mehr Arbeitsplätze entstehen, da nun mehr Produkte für den Export geschaffen werden könnten. Das wiederum würde nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes auch den Binnenmarkt dieser Länder beleben. Viel mehr Menschen hätten deutlich mehr Geld in ihrem Portemonnaie. Sie würden nun heimische Produkte kaufen, gingen ins Kino, ins Restaurant oder hätten einfach Spaß am Geldausgeben. Die Menschen könnten auf dem Niveau ihrer wirtschaftlichen Situation besser leben. Das gleiche würde für deutsche Verhältnisse gelten. Mehr Geld im Portemonnaie hieße, mehr Kinobesuche, Restaurantbesuche, einfach mehr Kaufkraft im eigenen Land. Der Binnenmarkt würde gestärkt und man brauchte sich über ein Kneipensterben in Deutschland keine Sorgen mehr zu machen.
Nach den Lohnerhöhungen allerdings käme es zu einer notwendigen Umstrukturierung des Arbeitsmarktes in Deutschland. Für die Exportwirtschaft fielen Arbeitsplätze weg, da Exporte weniger würden. Auf der anderen Seite aber würde der Binnenmarkt gestärkt. Hier würden mehr Arbeitsplätze entstehen.
Inflationsziel 2%!
Die neoliberale Austeritätspolitik des IWF wird nicht zur Konsoldierung von Haushalten führen. Nicht in Griechenland und nicht in anderen Ländern. Ankurbelung der Wirtschaft durch drastische Sparmaßnahmen ist der falsche Weg. Das ist bereits mehrfach nachgewiesen. Die Folgen der falschen Politik sind fatal: Durch Massenentlassungen wird die Kaufkraft der Menschen zurückgefahren. Die Binnennachfrage nimmt ab, weil die Menschen immer weniger Geld haben. Hierdurch entsteht Arbeitslosigkeit, Massenarbeitslosigkeit in nie gekanntem Maße. Und in diesem Zusammenhang ganz zu schweigen von der Abkehr der Menschen von der europäischen Grundidee und Gefährdung der Demokratie als solche. Die Athener Zustände weisen mittlerweile genau auf diese Abkehrmechanismen hin. Über diese Zustände und über die vielen Massenproteste in vielen Ländern der Europäischen Union berichtet die deutsche Presse nur sehr spärlich. Ihr scheint die Berichterstattung vom Maidan aus Kiew, aus der Ostukraine oder aus der Türkey vom Taksim-Platz wichtiger zu sein.
Zu beachten bliebe noch die Inflationsrate von 2%, die die Stabilität des Euro einst garantieren sollte. Sie wird bestimmt durch die Steigerung der Löhne, die sich bei den Arbeitgebern als Lohnkosten niederschlagen. Zwischen dem Nominallohnanstieg und dem Produktivitätszuwachs müsste sich eine 2%-ige Differenz ergeben, die dann zur angestrebten Inflationsrate führt. Wenn aber –wie in Deutschland seit etlichen Jahren- keine Nominallohnanstieg mehr stattfindet, wird die Differenz immer niedriger ausfallen. Die lohstückkosten fallen dann auch immer niedriger aus. Der Wettbewerb unter den EU-Staaten wird mehr und mehr verzerrt. Das kann nicht gut gehen!
Frankreich hat alles richtig gemacht. Die Produktivität steht der in Deutschlands in keiner Weise nach. Doch Frankreich scheint nun auch in der Schieflage zu ein. Das aber ist nicht richtig bewertet. Die unfairen Wettbewerbsvorteile Deutschland führen eben dazu, dass Frankreich im Vergleich zu Deutschland nicht mehr in der derselben Reihe steht. Deutschland, Frankreich und die übrigen Länder sollten eigentlich gleichauf sein. Doch Deutschland hat die Maastrichter Konvergenzbestimmungen, 2% Inflationsrate, nicht beachtet und ist nun vor allen anderen Ländern einen Schritt nach vorne gerückt. Die Inflationsrate in Deutschland ist z.Zt. deutlich niedriger als 2%. Nicht genug damit: Deutschland fordert alle anderen Länder auch noch auf, ebenfalls einen Schritt nach vorne zu tun. Das mit Unrecht, einhergehend mit menschenunwürdigen Auswirkungen einer haarsträubenden Austeritätspolitik. Eine Inflationsrate weit unter 2% war in Maastricht nicht abgemacht!
Und wenn Deutschland die Maastricht-Kriterien nicht will, dann baucht es den Euro wirklich nicht! Dann kann die “gute, alte “ Deutsche Mark wieder kommen! Somit müsste man Sarrazin recht geben. Großbritannien hat von vornherein auf die Einführung des Euro verzichtet Es beobachtet die Regelverstöße unbeschadet aus der Ferne und wird seine Bürger demnächst fragen, ob sie der Europäischen Union überhaupt noch weiter angehören wollen! Die Antwort könnte wohl positiv ausfallen, denn als assoziiertes Mitglied im geplanten transatlantischen Handelsbündnis zwischen den USA und der EU sähe sich Großbritannien nach dem Austritt aus der derzeitigen EU eher auf der Gewinnerseite. Da möchte Schottland aber auch sein. Doch weiterhin als Mitglied der EU, was dann aber erst recht eine Abspaltung Großbritannien erforderlich macht. Im September 2014 entscheiden die Schotten in einem Referendum darüber. Damit auch über die angestrebte 2%-ige Inflationsrate, denn sie wollen den Euro einführen! Ihre Mitgliedschaft in der EU, das ist den wenigsten Schotten bekannt, müssten sie allerdings neu beantragen. Es ist also Bewegung im Kasten! Wissen das die Wähler am 25. Mai 2014?
Obama: Handel nur unter fairen Bedingungen!
Die Deutschen Medien prallten mit einer Inflationsrate von nur etwas über 1%. Offenbar haben die Redaktionen und auch die Politiker, die so etwas bejubeln, noch nicht begriffen, dass mit einer solchen Inflationsrate in Deutschland die Talfahrt Europas nur noch beschleunigt wird. Um die Problemländer des Euroraums nicht in den Schatten zu stellen, müssten sofort, und dafür sprechen die Versäumnisse der vergangenen Jahre, die Löhne um mehr als 10% nach oben korrigiert werden. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden. Hierzu bedarf es aber einer polit-ökonomischen Einsicht, die momentan nicht zu erkennen ist.
Das hat auch Amerikanische Präsident Barak Obama feststellen müssen. Er mahnte immer wieder den Exportüberschuss Deutschlands an. Vor dem Hintergrund des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) fordert er faire Handelsbedingung. Und fair wären die Handelsbedingungen des Abkommens nur, wenn die Bilanzen ausgeglichen bleiben.
Würde die Politik mehr über das Funktionieren Europas nachdenken und endlich einsehen, dass Deutschland nicht Exportchampion in der Europäischen Union bleiben darf und sich im transatlantischen Freihandelsabkommen nicht genau so aufspielen sollte wie innerhalb der Europäischen Union, dann hätte man weitere Problemfelder der Politik zumindest entschärfen können. Das beträfe innenpolitisch z.B. die politisierten Mindestlöhne. Durch vermehrte Stellenangebote hätten prekäre Jobangebote deutlich weniger Chancen. Die SPD wollte die Steuern erhöhen. Damit ist sie aufgrund des Koalitionsvertrages mit der CDU vorerst gescheitert. Doch mehr und besser bezahlte Arbeit würden Steuereinnahmen deutlich verbessern. Damit verbunden wäre die Entlastung der Sozialkassen u.s.w.. Die Forderung nach mehr Steuereinnahmen hätte sich somit teilweise erledigt. Warum nimmt sich keiner der Schieflage Deutschlands an? Warum sagt keiner, dass Deutschlands Exportwahn ein Irrweg ist, der ein schreckliches Ende nehmen wird? Warum denkt keiner der Verantwortlichen darüber überhaupt mal nach? “Wer nicht versteht, dass Freihandel von souveränen Staaten immer Handel unter Gleichen sein muss ..., der ist naiv und wird am Ende für seine Naivität bestraft” (Flassbeck, 66 Starke Thesen ..., S. 204).
Splitterparteien stellen Währungsunion in Frage
Nun sind die Wahlprogramme für den 25. Mai 2014 bereits geschrieben. Weil die Politik bisher nicht auf den Punkt gekommen ist, wird z.B. die „Alternative für Deutschland“ (AfD) gute Chancen haben, in das europäische Parlament einzuziehen. Aufgrund der abgeschafften Sperrklausel könnten die Europäer noch weitere Überraschungen erleben. Weil die Finanzmärkte auch nach 2008 unreguliert die Welt beherrschen und Deutschland weiterhin unfaire Wettbewerbsvorteile für sich in Anspruch nimmt, müssen sich die Bürger über den Fortbestand des Euros, vor allem aber über den Fortbestand der Europäischen Währungsunion, Sorgen machen. Am 25. Mai 2014 wird man mehr darüber wissen, wie es mit Europa weitergehen könnte.
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Eine (Art) Danksagung:
Am 17. September 2007 hat der „Wirtschaftsweise“, Prof. Dr. Peter Bofinger, Cloppenburg besucht und beim Cloppenburger Stadtgespräch einen interessanten Vortrag über das Thema „Wirtschaftsreformen in Deutschland“ gehalten, mit dem er nachweisen konnte, dass viele Phänomene, Ursachen und Auswirkungen, im deutschen und internationalen Wirtschaftsgeschehen einfach und ohne Umschweife erklärbar sind. Als Sympathisant des britischen Ökonomen John Maynard Keynes gehört er nicht zu denjenigen, die den Mainstream des Neoliberalismus vertreten. Deshalb erscheinen seine Aussagen klarer und einleuchtender. In ähnlicher Sichtweise kommentiert die aktuelle Situation Prof. Dr. Heiner Flassbeck, der von 2000 bis 2012 bei den Vereinten Nationen in Genf als Direktor für Globalisierung und Entwicklung zuständig war. Vor seiner Zeit bei den UN bekleidete Flassbeck unter der Rot-Grünen Regierung das Amt des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen. In diesem Jahr (2014) hat er seine „66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum Deutschen Wesen“ veröffentlicht (ISBN 978-3-86489-055-0). Hierzu bemerkt Bofinger: „Heiner Flassbeck bringt die Dinge auf den Punkt. Eine exzellente und zugleich spannend zu lesende Analyse der aktuellen Wirtschaftspolitik.“ Zur Europalwahl 2014 ist das Studium dieser Lektüre also ein Muss, wenn ein Rechtsruck in Europa oder der Zerfall Europas noch vermieden werden soll! Es ist kurz vor 12.
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