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Stillstand auf den Gleisen

GDL im Recht

Niedrigste Löhne in Europa

 

HFB-14-11-06

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Die Gewerkschaft der Lokführer streikt mal wieder. Von Donnerstag, dem 6. bis Montag, dem 10. November 2014 sollen viele Züge stehen bleiben. Nach neuesten Meldungen soll der Ausstand nur bis Samstag andauern. 70% des Bahnverkehrs sind lahmgelegt. In einigen Bundesländern gehen die Herbstferien zu Ende. Bahnreisende und Öffentlichkeit reagieren empört. Selbst in der Presse kommt die GDL nicht gut weg. Sie ist zum Buh-Mann der Nation geworden.

Doch was ist daran an dem Image der GDL und deren Streikrechte? Bei genauer Betrachtung gäbe es einiges richtig zu stellen. Auch wenn viele Menschen direkt betroffen sind, bleibt der Streik im Rahmen des deutschen Rechts erlaubt. Da hilft auch nicht die Anrufung der Arbeitsgerichte durch die Deutschen-Bahn-AG und schon gar nicht ihre Kritik. Ebenso nicht die der Politik. Besonders nicht die aus SPD-Reihen .Nach Paragraph 9 Abs. 3 des Grundgesetzes steht der GDL mit ihren mehr als 19.000 Mitgliedern das uneingeschränkte Streikrecht zu.

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Die Zeichen stehen auf Streik. Von Donnertag bis Samstag fahren die meisten Züge nicht.

Das Wort „Uneingeschränkt“ erlangt in diesen Tagen eine besondere Bedeutung. Denn die Bahn-AG lehnt Tarifverhandlungen über einen Teil der GLD-Mitglieder ab. Zu den GLD-Mitgliedern zählen nicht nur die Lokomotivführer, sondern auch Zugbegleiter. Tarifverhandlungen ausschließlich für die Lokführer zuzulassen ist unzulässig. Wenn nicht unanständig.

Dass Streiks in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen, liegt in der Natur der Sache. Streiks werden in der Öffentlichkeit ausgetragen. Im Stillen nutzen Streiks den Gewerkschaften wenig. Sie wären nicht medienwirksam und stellten somit kein Druckmittel dar. Den Medien ist zugedacht, eine sachlich korrekte Berichterstattung zu leisten. Doch von Objektivität ist vielerorts nichts zu spüren. Sie machen reißerisch Stimmung gegen die Lokführer und ihren Gewerkschaftsführer. Nicht nur gegen sie, sondern auch gegen Lehrer oder Lufthansapiloten und v.a.m.. In den Berichterstattungen wird versucht, die verschiedenen Interessensgruppen gegeneinander aufzuwiegeln. Und das ist ihnen auch gelungen. Sie finden Zustimmung auf der Straße und bei Stammtischen. Menschen, die diese Art der Berichterstattungen wahrnehmen, merken nicht, dass sie bereits morgen selbst die Betroffenen sein können, die für gerechte Löhne kämpfen müssten.

Nach und nach werden den verschiedenen Berufsgruppen Kürzungen aufgezwungen. Da viele Menschen nicht gewerkschaftlich organisiert sind, können sie sich nicht dagegen wehren. Dieselbe Masche der Aufwiegelung wird gefahren zwischen junger und alter Generation. Alte sollen nicht auf Kosten der Jungen über ihre Verhältnisse leben, berichtet man. Verdienste, Steuern und Renten gingen zu Lasten der Jugend, berichtet man. Die Beamten würden im Gegensatz zu Angestellten und Arbeitern zu üppig bezahlt, berichtet man. Die Harz IV-Empfänger liegen dem Staat auf der Tasche, berichtet man. Die Billiglöhner sollen mit ihren Lohnforderungen zurückhaltend sein, denn sie schaden der deutschen Wirtschaft und damit dem Allgemeinwohl, berichtet man.

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Die Züge stehen still. Die Bahnhöfe bleiben leer! Ersatz bieten Fernbusse oder Leihwagen.

Man sollte noch an die Abwicklung der Schleckerbetriebe erinnern. Viele Tausend, vorwiegend Frauen, standen plötzlich auf der Straße. Die Schließung vieler Hertie-Kaufhäuser erwirkte ein Übriges, während den Karstadt-Angestellten in Zukunft noch einiges bevorsteht.

Kurz: Das Arbeitsvolumen in Deutschland, wie in vielen anderen Industrieländern auch, nimmt kontinuierlich ab. Den vielen Menschen bleibt nichts anderes übrig, als sich Vollzeitstellen zu teilen. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber auch geschaffen, um die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren. Das was immer und immer wieder beklagt wird, sind die Verhältnisse, die SPD und Grüne mit der Agenda 2010 selbst geschaffen haben. Und wenn die Politik heute weiterhin unbelehrbar von einer guten Beschäftigungslage redet, vergisst sie die geringen Einkommen, die mit den vielen Teilzeitjobs verbunden sind. Sie vergisst, dass somit das frei verfügbare Einkommen der Menschen immer geringer ausfällt, mehr und mehr Jobs verschwinden (ArcandorNokia etc.), die Kaufkraft abnimmt, die Überschuldung der Privathaushalte steigt, der Einzelhandel immer weniger Umsätze  verzeichnen kann und die Wirtschaft nach dem Bruch mit Russland stagniert. Kurz: Die Binnenkonjunktur wird zum Erliegen kommen, wenn die (Real-) Löhne noch weiter fallen. Armut wird weitere Armut im Lande erzeugen ! Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch viele derer treffen, die heute über den Streik der Lokomotivführer gedankenlos meckern. Morgen sind sie selbst dran, wenn sie nicht schon da sind, wogegen sich die Lokführer nun wehren. Und frei nach Erich Kästner, darf angenommen werden, dass diese Kritiker von dem Kakao, durch den sie selbst gezogen werden, auch noch mit Genuss trinken.

Die Lokführer der GDL sind auch deswegen besonders stark, weil sie mit Claus Weselsky  einen außerordentlich charismatischen Vorsitzenden haben, dem die Unabhängigkeit im Amt das Wichtigste zu sein scheint. Vor einiger Zeit hatte er ein Angebot abgelehnt, im Personalvorstand der Bahn-AG mitzuarbeiten. Mit der Annahme dieses Postens hätte Weselsky faktisch die Seiten vom Gewerkschafter zum Arbeitgeber gewechselt und wäre erpressbar geworden. Anders bei Kirchner, der seit dem November 2010 Vorsitzender der EVG (Eisenbahn- und

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Die guten alten Zeiten sind vorbei. Auch bei den Jobs der Bahn. Die GDL kämpft um bessere Bedingungen.

Verkehrsgewerkschaft) ist und zusätzlich das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Deutsche Bahn-AG bekleidet. Hier muss man sich fragen, wie unabhängig Kirchner nun die Interessen seiner eigenen Gewerkschaftsmitglieder wahrnehmen kann. Wenn es nach der Bahn-AG ginge, würde sie gesondert mit der EVG verhandeln, die nur Zugbegleiter vertritt. Die GDL dürfte in diesem Sinne nur ihre Lokführer vertreten, nicht ihre Zugbegleiter. Eine solche Forderung ist absurd. Somit ist es auch kein Wunder, dass Weselsky (GDL) und Kirchner (EVG und (!) Bahn-AG) im Clinch liegen. Gleichzeitig steigen die Mitgliederzahlen der GLD. Jeder wird sich ausmalen können, wer die Arbeitnehmerseite glaubwürdiger vertritt.

Insbesondere die Forderungen der Lokführer sind berechtigt. Sie tragen größte Verantwortung, sind bestens ausgebildet und stellen somit eine Elite dar. Doch ihre Bezahlung ist eine der schlechtesten in Europa. Ein vierzigjähriger Lokführer in einer Familie mit zwei Kindern hat mit Zulagen (!) ein Gesamtnettoeinkommen von zu Zeit knappen 2.000 Euro. Ihre Schweizer Kollegen verdienen mit Zulagen dagegen fast 4.500 Euro. Selbst in Spanien verdienen Lokführer derselben Verdienstgruppe mehr als 3.000 Euro. In den Niederlanden das Doppelte vom deutschen Gehalt usw.. Mit diesen Vergleichen dürfte klar sein, dass kaum noch Zweifel am Grund des Streiks der Lokführer besteht. Und Streik ist ihr gutes Recht. Dafür lohnt es sich, Solidarität zu zeigen, besonders von denen, die sich Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Doch die verantwortlichen Politiker halten dagegen, was das Zeug hält. Arbeitsministerin Nahles hört nicht auf, das Anliegen der Lokführer in Grund und Boden zu stampfen. Sie möchte den Einzelkampf der Gewerkschaften verbieten und erhält Rückendeckung von ihrer Fraktion und den Wirtschaftseliten des Landes. Die CDU möchte sogar das Streikrecht einschränken und Nahles dementiert. Dass sich die politischen Eliten allesamt gegen das Grundgesetz wenden, scheint nicht zu interessieren. Auch scheint es nicht zu interessieren, dass die Tarifeinheit durch das Privatisierungsbestreben der Bahn-AG zerstört wurde. Man kann nur den Kopf schütteln.

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Die Signale stehen auf Rot. Manche auch auf Gelb. Das Geflecht ist kompliziert. Es könnte alles gut funktionieren, wenn den Dumpinglöhnen die rote Karte gezeigt und mehr Respekt vor dem Grundgesetz bestehen würde.

Die Privatisierung der Bahn war einst Aushängeschild der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die Proteste dagegen waren groß und finden mit dem Bahnstreik der GDL neue Nahrung. Das Privatisierungsvorhaben wurde damals aufs Eis gelegt. Vorerst! Zumindest was die Infrastruktur, Schienen und Bahnhöfe etc. betraf. Die etablierte Tarifstruktur aber fand spätestens zu dem Zeitpunkt ein Ende, als die Verbeamtung der Lokführer stark reduziert wurde. 2002 löste sich die GDL aus dem mit GDBA, DBB und der Transnet. Die tarifpolitischen Ziele des Gesamtverbundes galten der GDL als unvereinbar. Nach der Aufkündigung des Verbundes traten 3.000 Mitarbeiter des Zugbegleitpersonals als neue Mitglieder in die GDL ein.

Gestärkt wurde der Status der Einzelgewerkschaft durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 2010. Das Urteil stellt klar, dass nach Artikel 9 des Grundgesetzes die Koalitionsfreiheit gilt. Ein Gesamtverbund mehrerer Gewerkschaften ist nicht mehr zwingend die Voraussetzung für Tarifverhandlungen. Es gilt die Tarifpluralität! Somit ist der Streik der GDL juristisch unanfechtbar. “ ... Das Bahn-Desaster hat viele Väter ... Vielleicht wird jetzt auch deutlich, dass Claus Weselsky nicht der alleinige Buh-Mann bei diesem Desaster ist.”, kommentiert die NWZ (8.11.14) zu Recht. Das sollten die Bahn-AG, die Bundespolitiker, der diffamierende Mainstream der Medien und die große Öffentlichkeit endlich einsehen.