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„Wir alle sind fassungslos“

 

Cloppenburg sagt NEIN zum Krieg 2003

 

„Es gibt keine Rechtfertigung“

 

HFB 22-06-03

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Gegen Krieg zu sein, ist richtig. Allein deshalb, damit der Frieden gewinnt. Kriege sind völkerrechtswidrig, schaffen Elend, Leid und Zerstörung. Hierbei ist die Zerstörung nicht nur auf das Materielle, Häuser, Straßen oder Landschaften, zu beziehen, sondern ebenso auf den menschlichen Geist, auf die Lebensfreude, den Glauben an das Gute oder auf die individuelle Kreativität. Nichts ist so bekannt wie das Traumata nach einer grausigen Erfahrung oder nach einer Reihe von schrecklichen Erlebnissen. Gerade deshalb muss man gegen Krieg sein. Krieg zerstört die Seelen der Menschen, der Verlierer und der Gewinner. Der ehemalige Bundeskanzler und SPD-Parteivorsitzende Willy Brand hat einmal gesagt: „Nicht der Krieg, sondern der Frieden ist der Vater aller Dinge“. Dem wäre nichts hinzuzufügen, wenn nicht Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen der vielen Kriege immer ausgeblendet würden. Denn diese reihen sich im Zusammenspiel von geostrategisch profitablen Interessen fast nahtlos aneinander. Hierbei erweisen sich die Rollenzuweisungen Freund-Feind, Gut-Böse oder Demokratie-Diktatur als perfide Täuschungen. Sie erweisen sich als Fassaden, die von der Politik und von den Medien nur allzu bereitwillig bedient werden. Die Drehbücher” sind immer dieselben. Lösungen solch ausgestalteter Konflikte müssen auf der Strecke bleiben. Frieden rückt in unerreichbare Ferne.

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    (01)

 

Krieg ist Gewalt. Mit ihr dient man nicht der Gerechtigkeit, mit Krieg dient man nicht dem Frieden. Und mit dem Töten von Menschen dient man nicht dem Leben. (02) Aber gegen den Krieg zu sein, heißt noch lange nicht, dass man für den Frieden eintritt. Es ist vielmehr entscheidend, aus welcher Perspektive der Krieg betrachtet wird. Die Frage heiß also: Unter welchen Umständen genau kann ein Pazifist überzeugen? Hierzu sollte klar sein, dass Pazifisten für einen nachhaltig konstruktiven Frieden eintreten, indem sie dem destruktiven Krieg ihr überzeugendes Paroli bieten. Sie „protestieren gegen diese kriegerische Gewalt, für die es selbst angesichts des menschenverachtenden Regimes (…) keine Rechtfertigung gibt. (…) Wie viele Kinder darf man töten, um einen Diktator zu beseitigen? Wir protestieren gegen (…) [dieses Regime]“, welches sagt, „wer nicht für uns ist, ist gegen uns [und zugleich] die Welt in Gut und Böse aufteilt und mit dem Recht des Stärkeren ihre strategischen (…) Interessen rücksichtslos durchsetzt“. (03)

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(04)

All diese Worte stammen aus dem Jahre 2003. Es waren Worte, wie man sie in Cloppenburg vernehmen konnte. Es waren solche, die eine akute Kriegsgefahr beschworen. „Sollte der Krieg beginnen, rufen wir am Tage des Angriffs zu einem Demonstrationszug durch die Cloppenburger Innenstadt (…) und zur anschließenden Andachten um 20 Uhr in den städtischen Kirchen auf“. Ca. 400 Bürger*innen der Stadt hatten diesen Aufruf unterzeichnet, der auf Initiative der Fraktionsvorsitzenden Heinz-Georg Berg (SPD) und Michael Jäger (GRÜNE) zeitnah in der Münsterländischen Tageszeitung erschienen war. Und der Krieg begann in den Morgenstunden des 20. März 2003 und somit folgte die Demonstration um 19 Uhr durch die Cloppenburger Innenstadt mit anschließender Kundgebung.

Ein „normaler“ Krieg ohne Gesichter

Der dritte Golfkrieg war eine Militäroperation der USA, Großbritanniens und einer „Koalition der Willigen“ im Irak, (05) nachdem die Diplomatie angeblich am Ende war. Ziel des Angriffskrieges war es, den damaligen irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. (06) Die USA warfen ihm vor, sie durch irakische Massenvernichtungswaffen zu bedrohen. Das allerdings stellte sich später als Lüge heraus. (07) Der USA ging es vielmehr um geostrategische Interessen. Genaugenommen ging es um Öl, dessen Förderung nach der erfolgreichen Invasion noch bis heute durch amerikanische Konzerne stattfindet. An den Irakis vorbei.

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Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich die Kulturen dieser Welt unterscheiden. Die Biographie Saddam Husseins ist voller interessanter Überraschungen. Sie kann als Lehrbuch über eine vollkommen andere Mentalität aufgefasst werden, mit der man sich arrangieren sollte, wenn man ein Land wie z.B. den Irak besuchen möchte. Gleichzeitig beweist sie, dass die Demokratie der westlichen Staaten nicht auf diese Kultur übertragbar ist. Dennoch wird auch von einem eiskalten Verhalten berichtet, welches für die in Ungnade gefallenen Menschen oft den sicheren Tod bedeutet hat. (08)

Eine direkte Bedrohung der USA durch den irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein hat es also nie gegeben. Der Krieg bediente vielmehr geostrategische Interessen. Erwähnenswert ist, dass sich Deutschland unter Bundeskanzler Gerhardt Schröder (SPD) nicht dieser „Koalition der Willigen“ angeschlossen hat. Wörtlich sagte er: „Es bleibt dabei: Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg. (…) Ich sagte, es ist eine falsche Entscheidung getroffen worden. Dies ist unsere Überzeugung, die klar ausgesprochen werden muss“. (09) Ein direkter Bundeswehreinsatz im Irak blieb den Deutschen damit erspart. (10) Zum Ärgernis des damaligen US-Präsidenten George Walker Bush.

Der Irakkrieg gilt bis heute als völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Dieser Krieg stand anderen Kriegen um nichts nach. Im Kriegsverlauf und während der folgenden Besetzung des Irak waren Kriegsverbrechen an Soldaten und Zivilisten an der Tagesordnung. (11) Genau davor hatten die Teilnehmer der Cloppenburger Demonstration im Jahre 2003 gewarnt. Sie konnten sich die menschenrechtsverletzende Kriege noch vorstellen. Sie waren im Gegensatz zu heute informiert über Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen. In ihren Vorstellungen gab man den leidtragenden Menschen noch Gesichter, die aber medial überwiegend verschwiegen wurden.

In den Medien wurde dagegen ein sauberer Krieg mit Präzessionswaffen verkauft. Die betreffenden Gesichter der Opfer wurden dagegen nicht gezeigt. Doch auch die gab es in Massen! „Wir alle sind heute fassungslos“, war von vielen Seiten der Cloppenburger Demonstranten zu hören. Daraus wurde fast 20 Jahre später der geschichtsvergessene Satz: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht". (12) Wie lange muss man geschlafen haben – ob im Bett oder im Studium -, um so etwas Verkitschtes erst jetzt, viele Jahre zu spät, sagen zu können? War da nicht bereits der Kosovo-Krieg im Jahr 1999, zu dem nur dieser Satz passend gewesen wäre? (13) Ein Satz, den sich besonders die „Friedenspartei“ der GRÜNEN mit aktuellem Zeitbezug dick auf die eigenen Fahnen schreiben sollte? Ausgewiesene „Völkerrechtler*innen“ sollten eigentlich von der Komplexität der Interaktionen wissen. (14) Nein, das wollen sie erst gar nicht. Sie wissen aber allzu genau, dass komplexe Sachverhalte durch verfälschende Vereinfachungen umso leichter zu vermarkten sind, je mehr vorschulische, kindliche Verstehensmuster man vorzufinden meint. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man auf Meinung statt auf Wissen setzt.

Ein US-geführter Krieg gegen den damaligen irakischen Diktator Saddam Hussein war eigentlich nicht erwartet worden. Galt „Saddam” doch lange als Freund der USA. Hochgerüstet durch diese Weltmacht fanden unter „Saddams” Regie zermürbende Stellungsgemetzel und Raketenangriffe gegen das Nachbarland Iran statt, einem geostrategischen Erzfeind der USA. Saddam Hussein glaubte, den Revolutions-geschwächten Iran im Blitzkrieg (!) niederringen zu können. Im Jahr 1980 erklärte er dem Nachbarland den Krieg. Doch dieser entwickelte sich zu einer verheerenden Schlacht, die schließlich acht Jahre andauern sollte. (15)

 

Den Iran ruinieren

Dreh und Angelpunkt des Iran-Konfliktes waren geostrategische US-Interessen, die durch Mohammad Reza Pahlavi, dem Schah von Persien garantiert wurden. Nach der Abdankung seines Vaters bestieg er im Zuge der anglo-sowjetischen Invasion des Iran am 17. September 1941 den Thron. Unterstützt von den Vereinigten Staaten errichtete Pahlavi ein menschrechtsverachtend autoritäres Regime. Hierbei ließ er die Opposition durch den Geheimdienst SAVAK grausam unterdrücken. (16) Doch in der Bevölkerung wuchsen Haß und Widerstand. Schließlich machte die iranische Revolution den US-Interessen einen Strich durch die Rechnung. Pahlavi wurde gestürzt. Der schiitischen Revolutionsführer, Ayatollah Khomeini, hatte bereits im Pariser Exil den iranischen Gottesstaat ausgerufen und reiste anschließend in Begleitung des weltbekannten deutsch-französischen Journalisten, Peter Scholl-Latour, (17) nach Teheran. (18) 

Mit den ehemals US-amerikanischen Freunden im Land wurde anschließend kurzer Prozess gemacht. (19) Nunmehr stand der Iran im feindlichen Visier des sunnitisch-stämmigen Staatsführers, Saddam Hussein. Der Sunnite hatte Ziel, den schiitischen Iran vollkommen zu ruinieren. In der Rolle eines Vasallen und Erzfeindes zugleich, in Form eines sunnitsch schiitischen Krieges. (20) Unterstütz durch schwere Waffen modernster Art, die durch die USA geliefert wurden. (21) Die verheerende Schlacht forderte bis Ende 1980 mehr als 20.000 tote irakische und iranische Soldaten. Die genaue Zahl der zivilen Opfer bleibt bis heute unbekannt. Im folgenden Irak-Krieg sind von März 2003 bis August 2007 bis zu 1.120.000 Iraker ums Leben gekommen. (22) Während des Konflikts starben fast 5000 Soldaten der westlichen "Koalition der Willigen". (23) Auch davor hatten die Teilnehmer der Cloppenburger Demonstration im Jahre 2003 gewarnt. Doch bekanntermaßen wurden auch die Gesichter dieser Soldaten nie gezeigt.

Seit der Cloppenburger Demonstration sind fast 20 Jahre vergangen. Die Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen des Irak-Krieges sind mittlerweile aufgearbeitet. Nunmehr könnten sie rational und ideologiefrei bewertet werden. Doch von der Politik ist das aktuell nicht zu erwarten. Das müssen die Bürger*innen jeden Tag erfahren. Wäre es anders, hätten die Welt heute deutlich weniger Konflikte durch völkerrechtswidrige Kriege und illegale Drohnen-Angriffe auszutragen. Dennoch darf der wissenschaftlichen Analyse Glauben geschenkt werden, auch von der Politik immer wieder Versuche unternommen werden, diese durch abenteuerlichste Kombinationen, durch perfide Täuschungen, zu zerpflücken, um diese auf Fassadenbegriffe wie Völkerrecht, Demokratie oder Gerechtigkeit zu reduzieren.

 

„Freund-Feind“: Das Drehbuch ist stets dasselbe

Die Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen um den Irak-Krieg von 2003 lassen sich die immerwährenden Rollenverteilungen der Konfliktpartner jedenfalls anschaulich beschreiben. Zunächst bestimmt der von Interessen getriebene Regisseur den Aggressor. Letzterem obliegt die Rolle des Täters - des Feindes oder des Bösen -,der u.a. aus eigenen Interessen verschiedenster Art das Opfer - den Freund oder den Guten - durch Krieg malträtiert. Vor dem Irak-Krieg von 2003 war der sunnitische Diktator Saddam Hussein der Freund der USA. Sein Feind war stets der schiitisch geprägte Iran. Letzterer war vor der islamischen Revolution unter Schah Mohammad Reza Pahlavi der Freund der USA, danach wurde der Iran unter Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zum Feind erklärt. Der Iran war also nur solange der US-amerikanische Freund, solange das Land unter Führung des Staatsoberhauptes, Schah Mohammad Reza Pahlavi, mitgespielt hat. Nach dieser neuen Rollenzuweisung hatte der Iran demnach (mindestens) zwei Feinde: Den militärisch schwachen Irak und die militärisch starke USA, den Regisseur der Drehbuches „Freund-Feind“.

Die die Nachbarländer Irak und Iran waren also nicht die einzigen Protagonisten in diesem konfliktreichen Zusammenspiel. Neben der militärischen Weltmacht USA haben Russland und neuerdings auch China geostrategische Ambitionen, die u.a. durch massive wirtschaftliche Einflüsse zur Geltung gebracht werden. Namentlich durch den westlichen IWF und das chinesische Seidenstraßen-Projekt. Im medialen Einflussbereich der von den USA angeführten NATO gelten Russland und China als Feinde. Und das, obwohl weiterhin Handel mit ihnen betrieben wird. Im Jahr 2003 allerdings stand China die Rolle einer globalisierten Weltmacht noch nicht in dem Maße zu, wie es heute der Fall ist.

Die USA jedenfalls verfolgten geostrategische Ziele mit Unterstützung seines Verbündeten, des Diktators Saddam Hussein. Iran und Irak sind mit Erdölvorkommen nur so gesegnet. Wer den Zugang zu deren Ölfeldern hat, braucht sich um Energieressourcen für den wirtschaftlichen und militärischen Eigenbedarf keine Sorgen machen. Um diesen Zugang zu sichern, musste der Iran vernichtet oder zumindest durch massive Sanktionen kaltgestellt werden.

Unter Revolutionsführer Ayatollah Khomeini wehte dann ein anderer Wind als unter Schah Reza Pahlavi , einem Freund der USA. Der Iran erklärte die USA zum Feind. In Irans Nachbarschaft aber stand ein sunnitischer Feind bereit, der bekanntlich militärische zu schwach war, um dem schiitischen Iran gefährlich zu werden. Also lieferten die USA ihrem sunnitischen Freund Waffen modernster Art. Von nun tobte ein zäher Stellungskrieg zwischen dem sunnitischen Freund und dem schiitischen Feind, der ganze acht Jahre andauerte.

Doch als der irakische Diktator Saddam Hussein der USA seine Gefolgschaft nach und nach aufkündigte, wurde er unter fadenscheiniger Begründung von den USA vom Freund zum Feind degradiert. (24) Nun bekam es Saddam mit der "Koalition der Willigen" zu tun, die ihn schließlich durch einen völkerrechtswidrigen Krieg mit schlimmsten Waffen und immensen Opferzahlen besiegte. Das Ergebnis war der freie Zugang zu den irakischen Ölfeldern, wobei der Irak zum „failed state“ verkam, auf dessen Territorium Tag für Tag mit schrecklichen Bombenanschlägen zu rechnen war. Diesen fielen tausende Menschen zum Opfer. U.a. aufgrund des Streites um die Förderechte des Erdöls, (25) die ja bekanntlich nicht mehr in den Händen der Irakis lagen.

Die Vorgänge um den Irak-Krieg machen deutlich, dass diese nichts mit Demokratie, Menschenrecht oder Völkerrecht zu tun hatten. Die genannten Werte wurden ausschließlich medial in den Mittelpunkt gestellt. Insgeheim ging es stets um geostrategische Interessen. Genau darauf wies bereits Egon Bahr (SPD) vor Schülern hin, der 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben war. Er sagte: "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt." Bahrs Hinweis ist an verschiedensten Beispielen belegt. (26)

 

Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg

Seit dem Ausbruch des Irak-Krieges sind nun fast 20 Jahre vergangen. Die Rollen in geostrategischen Machtverhältnissen bleiben aber stets dieselben, während ausschließlich Protagonisten und Orte wechseln. An die Stelle von Irak und Iran - Freund und Feind - sind nun die Ukraine und Russland samt ihres Personals - Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin – gerückt. Gleichzeitig mischt die transatlantische Weltmacht jenseits des Atlantiks inklusiv ihrer Verbündeter wiederum kräftig mit. In Form von Waffenlieferungen gigantischen Ausmaßes im fiskalischen Milliardenbereich nicht nur in die Ukraine, sondern ebenfalls nach Taiwan, Jemen, Nordirak oder Syrien. Im Namen der bereits in den 90-er Jahren verfassten Clinton Doktrin, demzufolge die NATO bis direkt an die Grenze Russlands vorrücken, Militärmanöver in den an Russland angrenzenden Staaten abhalten und Waffen an die russische Grenze stellen würde. (27) Das im ergebenen Gefolge aller „Willigen“, wobei sich u.a. SPD, GRÜNE und FDP durch gegenseitige Kriegs- und Sanktionsbekenntnisse auf allen politischen Ebenen nur so überbieten. Zur großen Freude der Waffenindustrie, die nunmehr Rekordumsätze zu verzeichnen hat. (28)

Die Willigen sind sich auch nicht zu schade, auch im Schatten der anstehenden Landtagswahl am 9. Oktober 2022 in Niedersachsen zu agieren. Sie sehen den Krieg als Friedensstifter, obwohl die Geschichte stets das Gegenteil bewiesen hat. Diese Protagonisten sollten sich schämen. (29) Sie betonen unablässig das Mantra „Demokratie-Menschenrecht-Völkerrecht“. Im realen Alltag aber hat sich die SPD, wie auch die übrigen Parteien, zugunsten eines penetranten Lobbyismus´ von ihrer eigenen Klientel und Klasse abgewandt. (30) Dass nun auch die Wirtschaft total gegen die Wand gefahren und die Existenz vieler Menschen zerstört wird, scheint nicht weiter zu interessieren. Die akute Gefahr sozialer Verwerfungen sollten zumindest sozial orientierte Parteien in Betracht ziehen und darauf angemessen reagieren. Da aber ganz andere Interessen im Mittelpunkt stehen, ist das gerade nicht zu erwarten.

Fatal die Klimabilanz: Kohle ist mittlerweile wieder zur primären Energiequelle geworden. (31) Das immens umweltschädliche Fracking-Gas aus den USA wird sein Übriges leisten. (32) Die vielen Widersprüche scheinen die Politik überhaubt nicht zu stören. Diese hat sich vollkommen verrannt. Zugleich vermehren sich die Ungereimtheiten wie Unkraut im Garten, wobei die Bürger*innen für richtig dumm verkauft werden. Fast könnte man meinen, dass alles getan wird, um die Verblödung so weit wie möglich zu beleben. (33)

Schröders politischer Irak-Pazifismus musste nicht unbedingt dem Vorbild Willy Brandts geschuldet sein. Davon abgesehen war Willy Brandts Bekenntnis zum Frieden zu Schröders Zeiten bereits zum Sterben verurteilt, wenn nicht sogar schon tot. Spätestens seit Beginn des völkerrechtswidrigen Ukrainekrieges heißt es somit: „Nicht der Frieden, sondern der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ George Orwell sollte also Recht behalten mit seinen Prophezeiungen in seinem Roman „1984“. „George Orwells „1984“ ist längst zu einer scheinbar nicht mehr erklärungsbedürftigen Metapher für totalitäre Verhältnisse geworden.“ (34) Anders ist die irrationale Politik der heutigen Zeit nicht mehr zu erklären.

Die politisch Verantwortlichen sind geopolitisch blind für die Zusammenhänge, Hintergründe und Ursachen des Krieges. Sie kaschieren das diplomatische Versagen bereits im Vorfeld. Darüber hinaus zementieren sie die wirtschaftliche und militärische Hegemonie der USA, gegen die sich die Politik nicht zu wehren weiß oder nicht wehren will. Im Jahr 1989 forderten die Sozialdemokraten noch, dass die „für Deutschland als Ganzes und für Berlin bestehende Vorbehaltsrechte der vier Mächte (…) durch die gesamteuropäische Friedensordnung abgelöst werden [müssen]“ Sie drückten das überdeutlicher aus mit der Formulierung: „Wir wollen nicht mehr der Flugzeugträger der USA sein“. (35) Bekanntlich wurde dieses SPD-Grundsatzprogramm von 1989 zugunsten einer US-freundlicheren Auslegung überarbeitet.

Der Ansatz für ein eigenständiges Europa – wie es heute nur noch der französische Präsident, Emmanuel Marcon, vertritt - war somit gestorben. Die Selbstbestimmung über Energielieferung u.v.m. war wie vom Tisch gefegt. Aktuell ist die Politik kurzsichtig geworden in Bezug auf ihre Wirkung und zementiert nur die wirtschaftliche und militärische Hegemonie der USA. Europa verzwergt sich im Schatten der NATO, anstelle endlich eine von den USA unabhängige, an europäischen Werten und Interessen ausgerichtete Sicherheitspolitik zu verfolgen. Diese Chance dürfte sie sich für die nächsten Jahrzehnte verbaut haben. Von den Selbstgerechten in die Tonne gekloppt die Mythen von Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Klaus von Dohnanyi und aktuell die von Emmanuel Macron. (36)

 

Geschichte ist Alles und Nichts

Obwohl die politisch Verantwortlichen ständig von Frieden reden –diesen in Wirklichkeit gar nicht meinen -, sind ihnen die Lehren aus der Geschichte in weite Ferne gerückt. Vergessen die Kriegsfolgen der vergangenen Tage. Die Zerstörung der menschlichen Seelen, seien es die der Kriegsgewinner oder –verlierer. Vergessen die traumatisierte Republik als Folge des zweiten Weltkrieges. Vergessen die kriegsverletzten und traumatisierten Menschen, die das Bild in deutschen Städten bis weit in die 70-er Jahre prägten. Freundlich, aber persönlich zerstört. Identifizierbar an ihrer Realitätsferne im Leben des Alltag als Indiz ihrer permanenten Retrospektive auf das unfassbar Erlebte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob man sich zu den Verlierern oder Gewinnern der Kriege zählen darf. Traumata treffen nicht unbedingt die Chefstrategen oder deren Claqueure dieser Kriege, sondern vorwiegend all diejenigen, die diesen Planungsabteilungen leichtgläubig vertraut hatten. (37)

Doch die Politik protestiert nicht gegen diese kriegerische Gewalt, sie heizt sie vielmehr durch Waffenlieferungen an. Sie protestiert auch nicht gegen das Bekenntnis, welches sagt, „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ und pikiert damit die vielen Länder in der Überzahl, die sich nicht gegen Russland stellen wollen. Somit auch nicht gegen die Aufteilung der Welt in Freund und Feind, in Gut und Böse. Die Welt steuert gezielt auf den tiefsten Abgrund aller Zeiten zu. Auf einen Atomkrieg mit finalen Folgen: Auf einen Atomkrieg zu, den auch der ehemalige US-amerikanische Senator und Oberst a. D. Richard H. Black nicht mehr ausschließen will. (38) Was Bob Dylan einst mit “Yes, and how many deaths will it take 'til he knows that too many people have died?” beschrieb, (39) wird zunehmend erdrückender.

 

Krieg zum Wohle aller?

Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden. Das vermag nur die Diplomatie. Das ständige Anheizen eines Konfliktes durch lautstarke Propaganda, die sich keineswegs an Fakten orientiert, vermag das nicht. Wir brauchen Politiker, die einen intelligenten Ansatz mit präziser Wortwahl vorweisen. Sprücheklopfer a la Stammtisch sind nicht hilfreich. Das Mantra „Frieden durch Krieg” führt direkt in die Katastophe. Das kann niemals „Zum Wohle aller“ sein. Dass auch die Kirchen als einflussreicher Chor ständig zu Angriff blasen, ist erschreckend. (40) Sie blasen zum Sturm, zum Krieg durch Waffenlieferungen, in Rückbesinnung auf das Alte Testament: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ausgedrückt durch das verklausulierte Mantra „Gelb und Blau sind die Farben der Hoffnung.“ (41) Nächstenliebe? Nein Danke! Da Hilft auch nicht die Wohlfühlatmosphäre des Kirchentages, auf dem Kanzler Olaf Scholz seine Rüstungspolitik mit heiligem Eifer verteidigen durfte. (42) Im Stile eines säkular-sakralen Gemischtwarenpropheten. Mit dem implizierten Hinweis, für die Vernichtung des Bösen zu beten, um „Putins Panzer zu besiegen”. Wenn solchen „Predigten“ dann irgendwann nur noch leere Kirchenbänke zuhören, sollte das keinen mehr wundern. „Wenn Deutschland Missionsland wird“, (43) dann sollte das auch für die Demokratie gelten, wobei die Politikverdrossenheit steigt und die Wahlbeteiligung sinkt. (44)

All das führt ins Abseits. Daher ist eine gesellschaftlich breit getragene Renaissance der „Besonnenheit zum Wohle aller” Deutschen und aller Menschen umso wichtiger. Das wäre die einzig erfolgversprechende Lösung. Diese aber verlangt, dass sich alle Bürger*innen endlich mit dem identifizieren, was als Grundlage der Demokratie gilt. Hierzu muss die Politik ausreichend Gelegenheiten schaffen. Mit der üblichen Propaganda nach dem Schema „Freund-Feind“ ist das nicht möglich. Das muss endlich aufhören. „Wir sagen NEIN zum Krieg“, egal wie er aussieht! Ein Appell, der im Jahr 2003 noch deutlich überzeugender herüberkam als heute.

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Quellen NzK

 

 

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