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Leitbild des Gesundheitswesens:

 

Kompromisslose Kommerzialisierung

 

„Fallpauschale“ muss auf den Prüfstand

 

HFB 18-10-04

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Bürgermeister, Dr. Wolfgang Wiese, kann nur zugestimmt werden, wenn er die krasse Unterversorgung von Schlaganfallpatienten im Landkreis Cloppenburg kritisiert. Den Brief an die SPD-Ministerin Carola Reimann findet starke Unterstützung in der Öffentlichkeit. Auf keinen Fall sei es hinzunehmen, dass die Versorgungssicherheit von Patienten aufgrund von ökonomischen Interessen nicht mehr im Vordergrund stehe, so der Tenor. Mit der Kooperation von sechs Kliniken wird die Sicherheit Cloppenburger Patienten aufs Spiel gesetzt. Im Ernstfall hätte ein Rettungswagen einen Mindestanfahrtsweg von 30 Kilometer zur nächsten Notaufnahme zurückzulegen. Vielmehr würde lebensrettende Zeit verloren gehen.

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Wenn Experten die Bereitstellung von 51 Betten für Schlaganfallpatienten empfehlen, ist ein dringender Bedarf nachgewiesen. Sollte auf diesen sachkundigen Hinweis nicht eingegangen werden, wäre die Versorgung von Schlaganfall-Patienten aus dem Cloppenburger Stadtgebiet deutlich schlechter gestellt als an den sechs übrigen Klinikstandorten. Bevorteilt wäre die Standorte Emden, Sanderbusch, Damme, Quakenbrück, Westerstede und Oldenburg.

Selbstverständlich ist der Wunsch nach einer „interdisziplinären Zusammenarbeit“ zwischen den sechs Kliniken nachzuvollziehen. Krankenhäuser müssen streng nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten. Das aber vor allem zum Vorteil der privatversicherten Patienten, wobei die pflichtversicherten Patienten teilweise auf der Strecke bleiben. War bis zum Jahr 2003 der „Krankenhaustagessatz“ der Maßstab, so ist es bis zum heutigen Tage die „Fallpauschale“. Und die ist einem strengen Kosten-Nutzen-Kalkül unterworfen.

Mit Hilfe Arbeitsverdichtung, Stellenabbau, Lohnkürzungen und zuletzt kürzeren Krankenhausaufenthalten der Patienten hatten die Klinken nun zusätzlich das zu erwirtschaften, was sie ab 2003 weniger an Geldmitteln erhalten. So werden z.B. Pflegebedürftige, die vorzeitig entlassen sind und zu Hause gewaschen und angezogen werden (müssen), zu Zuzahlern. Anstelle der Maxime „Fürsorge“ trat also die Maxime „Service an Dienstleistungskunden“. Klinken, die weiterhin in erster Linie auf „Führsorge“ pochten, mussten seit Einführung der „Fallpauschale“ gnadenlos mit ihrem wirtschaftlichen Untergang rechnen. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die niedersächsische Fallpauschale (Landesbasisfallwert) eine der niedrigsten in den Bundesländern überhaupt ist.

Der Appell des Bürgermeisters an die Ministerin ist allerdings nur als ein Versuch zu betrachten, das System der „Fallpauschale“ zugunsten einer verstärkten Führsorge ein wenig abzumildern. Doch gerade die SPD-Ministerin ist an das streng marktwirtschaftliche System des Kosten-Nutzen-Kalküls gebunden, welches u.a. von CDU und SPD in Hannover und auf Bundesebene favorisiert wird. Genau genommen gehört die „Fallpauschale“ auf den Prüfstand, um das Problem der Bettenverteilung aus der Welt zu schaffen. Das aber ist politisch nicht gewollt. Die Etiketten „Christlich“ und „Sozial“ versprechen Dinge, die schon lange nicht mehr Inhalte der Politik sind. Kein Wunder also, dass die Politikverdrossenheit zugunsten der AfD wächst. Besserung und Erneuerung scheinen nicht in Sicht. Daher werden auch weiterhin markige Sprüche aus der Politik zu hören sein, die das Bedauern in den Mittelpunkt stellen, aber stets vom eigentlichen Problem ablenken. Auf starke Worte folgen keine Taten. Genau das ist das Markenzeichen, welches die Politik in der Öffentlichkeit auf allen Ebenen immer unglaubwürdiger macht.

So kann es als billiger Populismus bezeichnet werden, wenn der Gesundheitsminister, Jens Spahn (CDU), gegen die gnadenlosen Prinzipien von Gewinn und Verlust im Gesundheitswesen wettert, aber nichts gegen das Renditebestreben unternimmt. Z.B. durch ein wirksames Gesetz. Demzufolge werden auch weiterhin Gesundheitseinrichtungen zur Profitmaximierung von Großanlegern missbraucht. Hierzu werden Aktien gekauft, wobei der Aktienkäufer zum Anteilseigner an einem Unternehmen (Krankenhaus) wird. Anschließend zieht er Geld aus dem Dienstleistungsservice am Patienten heraus, ohne selbst je Krankenhauspatient gewesen zu sein. So einfach geht das!

Fallpauschalen weisen jeder diagnostizierbaren Krankheit katalogisierte Einheitskosten zu. Hierbei orientiert man sich an Minimalkosten. Die werden angestrebt mit möglichst geringen Personal-, Sach- und Organisationskosten. Wer den Patienten optimal schnell abfertigt, macht Gewinn. Wer das nicht tut und sich auf den Patienten einlässt, der macht Verlust. Mit der Einführung der sog. DRGs (DiagnosisRelated Groups) wurde der Gedanke der Empathie und Fürsorge aufgegeben. Der radikale Schritt zur kompromisslosen Kommerzialisierung war vollzogen. Von nun an standen renditeorientierte Sparmaßnahmen im Mittelpunkt der Patientenversorgung. Das trifft den hilfsbedürftigen Patienten vor allem dort, wo er zwischen Leben und Tod ringt.

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Die Ratsherren der Cloppenburger FDP scheinen nicht zu wissen, dass es der Bundes-FDP in wirtschaftlichen Belangen vorwiegend um die Macht des „Freien Marktes“ geht. Koste es, was es wolle. Hierzu zählt die Profitmaximierung, die im u.a. Gesundheitswesen durch satte Renditen erzielt wird. Die Ahnungslosigkeit der beiden Ratsherren sollte zu denken geben. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie bereits zu den vielen politischen Notfallpatienten zählen, die auch durch die Wahlurne nicht mehr zu retten sind.

Im Übrigen ist es verwunderlich, dass gerade Cloppenburger Lokalpolitiker der FDP das System der Patientenversorgung nach streng marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kritisieren, um damit ihr Bedauern über die desolaten Zustände im Gesundheitswesen auszudrücken. Bekennt sich doch die Bundes-FDP alternativlos zum Prinzip des „Liberalen“. Zugunsten der totalen Ökonomie und des damit verbundenen Profits fordern sie „so wenig Staat wie möglich“. Nun stellen sie für das Gesundheitssystem genau dies infrage. Merkwürdig! Vielleicht sollten die FDP-Kritiker speziell für sich ausloten, ob sie in der richtigen Partei sind. Zumindest könnten sie ihr eigenes Parteiprogramm gründlicher studieren. Ganz oben auf der Agenda steht nämlich das „Spiel der freien Marktwirtschaft“ mit all seinen „Vorteilen“. Ohne Ausnahmen!

Bürgermeister, Dr. Wiese (CDU), bleibt im Interesse aller Notfallpatienten nur zu wünschen, dass er trotz der kommerziellen Zwänge Gehör in Hannover findet. Doch auch Wiese sollte zur Kenntnis nehmen, dass die Berliner GroKo aus CDU und SPD, wie auch FDP und GRÜNE, unverrückbar zu den gnadenlosen Prinzipien von Gewinn und Verlust im Gesundheitswesen steht.

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Quelle MT

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