Wenn Experten die Bereitstellung von 51 Betten für Schlaganfallpatienten empfehlen, ist ein dringender Bedarf nachgewiesen. Sollte auf diesen sachkundigen Hinweis nicht eingegangen werden, wäre die Versorgung von Schlaganfall-Patienten aus dem Cloppenburger Stadtgebiet deutlich schlechter gestellt als an den sechs übrigen Klinikstandorten. Bevorteilt wäre die Standorte Emden, Sanderbusch, Damme, Quakenbrück, Westerstede und Oldenburg.
Selbstverständlich ist der Wunsch nach einer „interdisziplinären Zusammenarbeit“ zwischen den sechs Kliniken nachzuvollziehen. Krankenhäuser müssen streng nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten. Das aber vor allem zum Vorteil der privatversicherten Patienten, wobei die pflichtversicherten Patienten teilweise auf der Strecke bleiben. War bis zum Jahr 2003 der „Krankenhaustagessatz“ der Maßstab, so ist es bis zum heutigen Tage die „Fallpauschale“. Und die ist einem strengen Kosten-Nutzen-Kalkül unterworfen.
Mit Hilfe Arbeitsverdichtung, Stellenabbau, Lohnkürzungen und zuletzt kürzeren Krankenhausaufenthalten der Patienten hatten die Klinken nun zusätzlich das zu erwirtschaften, was sie ab 2003 weniger an Geldmitteln erhalten. So werden z.B. Pflegebedürftige, die vorzeitig entlassen sind und zu Hause gewaschen und angezogen werden (müssen), zu Zuzahlern. Anstelle der Maxime „Fürsorge“ trat also die Maxime „Service an Dienstleistungskunden“. Klinken, die weiterhin in erster Linie auf „Führsorge“ pochten, mussten seit Einführung der „Fallpauschale“ gnadenlos mit ihrem wirtschaftlichen Untergang rechnen. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die niedersächsische Fallpauschale (Landesbasisfallwert) eine der niedrigsten in den Bundesländern überhaupt ist.
Der Appell des Bürgermeisters an die Ministerin ist allerdings nur als ein Versuch zu betrachten, das System der „Fallpauschale“ zugunsten einer verstärkten Führsorge ein wenig abzumildern. Doch gerade die SPD-Ministerin ist an das streng marktwirtschaftliche System des Kosten-Nutzen-Kalküls gebunden, welches u.a. von CDU und SPD in Hannover und auf Bundesebene favorisiert wird. Genau genommen gehört die „Fallpauschale“ auf den Prüfstand, um das Problem der Bettenverteilung aus der Welt zu schaffen. Das aber ist politisch nicht gewollt. Die Etiketten „Christlich“ und „Sozial“ versprechen Dinge, die schon lange nicht mehr Inhalte der Politik sind. Kein Wunder also, dass die Politikverdrossenheit zugunsten der AfD wächst. Besserung und Erneuerung scheinen nicht in Sicht. Daher werden auch weiterhin markige Sprüche aus der Politik zu hören sein, die das Bedauern in den Mittelpunkt stellen, aber stets vom eigentlichen Problem ablenken. Auf starke Worte folgen keine Taten. Genau das ist das Markenzeichen, welches die Politik in der Öffentlichkeit auf allen Ebenen immer unglaubwürdiger macht.
So kann es als billiger Populismus bezeichnet werden, wenn der Gesundheitsminister, Jens Spahn (CDU), gegen die gnadenlosen Prinzipien von Gewinn und Verlust im Gesundheitswesen wettert, aber nichts gegen das Renditebestreben unternimmt. Z.B. durch ein wirksames Gesetz. Demzufolge werden auch weiterhin Gesundheitseinrichtungen zur Profitmaximierung von Großanlegern missbraucht. Hierzu werden Aktien gekauft, wobei der Aktienkäufer zum Anteilseigner an einem Unternehmen (Krankenhaus) wird. Anschließend zieht er Geld aus dem Dienstleistungsservice am Patienten heraus, ohne selbst je Krankenhauspatient gewesen zu sein. So einfach geht das!
Fallpauschalen weisen jeder diagnostizierbaren Krankheit katalogisierte Einheitskosten zu. Hierbei orientiert man sich an Minimalkosten. Die werden angestrebt mit möglichst geringen Personal-, Sach- und Organisationskosten. Wer den Patienten optimal schnell abfertigt, macht Gewinn. Wer das nicht tut und sich auf den Patienten einlässt, der macht Verlust. Mit der Einführung der sog. DRGs (DiagnosisRelated Groups) wurde der Gedanke der Empathie und Fürsorge aufgegeben. Der radikale Schritt zur kompromisslosen Kommerzialisierung war vollzogen. Von nun an standen renditeorientierte Sparmaßnahmen im Mittelpunkt der Patientenversorgung. Das trifft den hilfsbedürftigen Patienten vor allem dort, wo er zwischen Leben und Tod ringt.
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