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Leiste-H-01

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Cloppenburger Rosenmontagssitzung

Vergesslichkeit und schlechte Witze

Rat berät über Haushalt

HFB-17-03-10

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Wieder einmal haben die Beratungen über den Haushalt der Stadt Cloppenburg stattgefunden. Dieses Mal trat der Rat am Rosenmontag zusammen. Es war dann endlich der öffentliche Tagesordnungspunkt 29, bei dem es zur Sache ging. TOP 29, den aber kein Zuhörer mehr mitbekommen wollte, weil der Zeitrahmen einfach unzumutbar war. Mit Absicht, denn gestiegene Ausgaben und höhere Schulden bestimmten die Debatte. Quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Geprägt durch Spekulationen, Binsenweisheiten und Anmerkungen mit allzu moralischem Charakter. Die Beratung war lang. Unterhaltsam vielleicht, aber witzig schon gar nicht. Eher eine Blamage. Am Ende wurde der städtische Haushalt 2017 mit nur drei Gegenstimmen und zehn Enthaltungen verabschiedet. (1)

MT-Haushaltsreden-17-01d

Politik in Hinterzimmern?

Eine Ratsfraktion, die ehemals die Mehrheit inne hatte und zudem den Bürgermeister stellt, wird es sich nicht entgehen lassen, auf den städtischen Haushalt Einfluss zunehmen. In ihrem Sinne, unter Ausschluss der übrigen Ratsfraktionen und das bereits in der Entwicklungsphase, bevor den Ratsmitgliedern der erste Haushaltsplanentwurf vorgelegt wird. Schon hier fehlte es an Transparenz. Das kann man kritisieren, wobei das in der Regel zu nichts führt. Eine Regelwidrigkeit dieser angeblichen „Vorgespräche in Hinterzimmern“ ist schwer zu erbringen. Abhilfe wäre nur möglich, wenn die Kritiker einen Bürgermeister aus den eigenen Reihen stellen würden. Das scheint aber irgendwie nicht möglich zu sein. Somit kann es nur bei Spekulationen bleiben, mit denen man sich diszipliniert zurückhalten sollte. Oder, wenn nicht, wird es unter Umständen folgendermaßen lauten, so wie geschehen:

 

Masse statt Klasse

„Es gibt gefühlte 90 Prozent an Mehreinnahmen, die nicht auf Fakten beruhen“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende während seiner Haushaltrede am Rosenmontag, dem 27. Februar 2017. Ortac selbst zu fragen, ob er direkt von einer Karnevalssitzung zum Rathaus gekommen war, bringt nun auch nichts mehr. Dass er in einer realitätsfernen Gedankenwelt der Gefühle schwebte, dürfte nicht ganz abwegig sein. Womöglich handelte es sich um einen schlechten Witz zur Rosenmontagssitzung bei allzu verbissener Laune, wobei die Erkenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse den Spekulationen gewichen war. Hierbei dürfte es ihm und seinen Kollegen entgangen sein, dass sich alle zusammen mehr der “ergebenen” Masse verpflichtet fühlten, als durch “oppositionelle” Klasse aufzufallen.

 

In eigener Sache

Zur Aufklärung angeblich zweifelhafter Vorgänge können nur die richtigen Fragen weiterhelfen. Damit hätte sich Ortac aber nur in Widersprüche verstrickt, wobei es allzu offensichtlich zur peinlichen Enttarnung gekommen wäre. Die Fragen hätten u.a. folgende sein können:

Ist der Haushalt nicht auch deshalb so aufgebläht, weil die SPD-Fraktion mit massiver Unterstützung der CDU die Mandatszulagen, also die eigene Bezahlung für die Ratsarbeit, im Jahr 2015 um ca. 50 Prozent –und das in eigener Sache- mit jährlichen Mehrausgaben in Höhe von 100.000 Euro erhöht hat?

Ist der Haushalt nicht auch deshalb aufgebläht, weil nun ohne Not drei, anstatt zwei stellvertretende Bürgermeister in Amt und Würden bezahlt werden müssen?

Ist der Haushalt nicht auch deshalb aufgebläht, weil im letzten Jahr vor der Kommmunalwahl enorme Zugeständnisse an die Vereine  gemacht wurden?

Die weitere Beratung über die höheren Bezüge der Ratsmitglieder wurde unter dem letzten Tagesordnungspunkt der öffentlichen Ratssitzung  vorgenommen. Mit Absicht, denn der TOP 30 garantierte leere Ränge in der Zuhörerloge. Somit wird klar, dass Öffentlichkeit nun wirklich nicht erwünscht war.

 

“Leben dauerhaft über unsere Verhältnisse”

Nein, das alles hat SPD-Chef Ortac nicht gefragt. Wollte er auch gar nicht. Der Widerspruch wäre allzu peinlich gewesen, weil deutlich geworden wäre, dass seit Monaten zuviel gemeinsame Sache mit der CDU betrieben wurde. Eine “Opposition” gab es faktisch nicht mehr. Das musste sich irgendwann rächen. Nunmehr war Ortacs Haushaltsrede von Biedermeiersprüchen geprägt. Nicht nur seine,  sondern auch die der CDU, UWG und Grünen: „Wir leben über unsere Verhältnisse“ oder „Freibier für alle“ war nicht nur einmal zu hören.

Ist das nicht Heuchelei pur? Oder nicht sogar Populismus der übelsten Art? Es sind also immer die anderen, die geprasst haben. Es sind immer die anderen, die das Geld mit vollen Händen herausgeworfen haben. Es sind immer die anderen, die sparen müssen. Erschreckend war, wie vergesslich sich die meisten Polit-Redner gaben. Und wenn dann die Presse auch noch vergesslich reagiert, ohne wirklich auf naheliegende Zusammenhänge einzugehen, klingt das auch nicht viel besser: (2)

NWZ-Haushaltsreden-17-01b

Am Problem vorbei: Binsenweisheiten über Schulden und Wirtschaftskrisen

Wie zu lesen ist, findet sich hier eine Auflistung von Binsenweisheiten, die auch in der Ratsdebatte des Öfteren zu hören waren. Die Kritik verpufft, weil Ross und Reiter  gar nicht erst genannt werden. Der Kommentar wirkt kraftlos mit dem Beigeschmack einer ausgeprägten Mutlosigkeit. Das gilt ebenfalls für den Artikel. Es fehlt die wirklich kritische Betrachtung der Zusammenhänge. War es nicht so, dass selbst kurz vor Ende der Debatte Forderungen gestellt wurden? Von der Ortac-Fraktion, die ihre Zustimmung zum Haushalt davon abhängig gemacht hat, dass der Rat Forderungen zu akzeptieren habe. Vielleicht sollte demonstriert werden, dass es die “Opposition” im Rat der Stadt Cloppenburg doch noch gibt. Das aber ging gründlich daneben:

So wurden Anträge gestellt, deren Details in fortlaufenden Beratungen noch zu klären gewesen wären. Die Ortac-Fraktion verweigerte nach Ablehnung dieser Anträge, deren Kosten auf ca. 30.000 Euro veranschlagt waren, ihre Zustimmung zum Haushalt 2017. Somit wurden 70 Millionen Euro (100 %) gegen 30 Tausend Euro (0,00043 %) aufgewogen. Findet sich in dem Kommentar von Herrn Mensing ein Wort über die Verhältnismäßigkeit dieser ablehnenden Haltung der SPD und der Grünen?

Auch wenn es sich laut Stadtgespräch um seine „Freunde“ zu handeln scheint, wäre ein Wort über die Verhältnismäßigkeit der Anträge deutlich informativer gewesen, als Binsenweisheiten über Schulden und Wirtschaftskrisen herunterzubeten. Wenn Presse nicht wirklich aufklärt, bleibt der Öffentlichkeit nur das Informationsdefizit. Ein öffentlicher Druck auf die Politik kann so nicht entstehen.

Um dann doch noch den Anschein der Seriosität zu erwecken, müssen reflexartige Fiktionen herhalten, die eine “Wirtschaftskrise” wie ein “Amen in der Kirche” voraussagen. Korrekt wäre folgender Hinweis gewesen: Auch wenn Gewerbesteuereinnahmen zurückgehen, braucht nicht sofort eine Krise die Ursache sein. Im Falle eines Falles wird die Stadt entweder sparen oder sich weiter verschulden müssen. Wenn aber die Zinsen für Kredite steigen, ist das noch lange kein Grund, in Panik auszubrechen! Denn vor einer Zinsanpassung wird die Inflation gestiegen sein. Dann aber werden öffentliche Schulden durch eben letztere kompensiert. Dass die Politik solche Strategien erfolgreich nutzt, scheint dem Autor völlig unbekannt zu sein. Von der sonst so renommierten NWZ hätte der Leser im Cloppenburger Lokalteil mehr erwarten können.

 

„Das Amen in der Kirche“

Leider werden öffentliche Haushalte immer wieder mit privaten verglichen. Hartnäckig von Politikern, die es eigentlich besser wissen müssten. Während Privathaushalte in die Insolvenz abrutschen können, ist das bei kommunalen und staatlichen Institutionen nicht möglich. Genau „(…) Das ist so sicher, wie das „Amen in der Kirche. Und dann (…)“ das:  Der Staat selbst könnte „aus dem Vollen schöpfen“ und es würde nichts weiter passieren: Stattdessen würde der Kommune  der Riegel vorgeschoben. Durch das kommunale Verfassungsgesetz, mit der Aufforderung, einen ausgeglichenen Haushalt nachzuliefern! Oder nicht, um anschließend von der nächst höheren politischen Instanz finanziell verwaltet zu werden.

 

Schuldenabbau in weiter Ferne

Interessant wäre noch die Frage, was nach dem Jahr 2020 passieren soll, wenn der Schuldenstand in Höhe von 45 Millionen Euro nach Inkrafttreten der Schuldenbremse abzubauen wäre. Eine Antwort auf diese Ungewissheit gibt es nicht. Weder von der Verwaltung noch vom Bürgermeister! In der Haushaltsdebatte des Rates wurde eine solche Frage gar nicht erst gestellt. Am Ende erfolgte der Hinweis, dass die Grundsteuern, evtl. sogar die Gewerbesteuern erhöht werden müssten, um finanziell wieder Fuß fassen zu können. Es sind sogar Gebührenerhöhungen in allen Bereichen möglich. Besonders dann (mit Verspätung), wenn outgesourct würde, wobei z.B. das Klärwerk, das Schwimmbad oder der gesamte Bauhof an private Investoren verscherbelt würde. Wirklich schöne Aussichten sind das nicht. Wohlgemerkt für die Bürger und manche städtischen Angestellten nicht! Das ist kein Witz. Wenn überhaupt, dann ein schlechter! Auch über diese Szenarien verliert der Kommentar kein Wort.

 

Das, was wirklich zählt

Gebührenerhöhungen und Outsourcing sind im Jahr 2021 wohl nicht angedacht. Denn dann ist wieder ein Urnengang angesagt.  Bürgermeister und der gesamte Rat werden neu gewählt. In diesem Zusammenhang ist mit mehr Realitätsbewußtsein in der Politik überhaupt nicht zu rechnen. Den stets geforderten Schuldenabbau wird man wohl in den Wind schreiben können. Anzunehmen ist, dass eher zugunsten eigener Interessen spekuliert wird und von Ortac und Anderen “Reden der Vergesslichkeit” zu hören sind. Demnach würde es im speziellen Fall stets bei den „Gefühlten Mehreinnahmen, die nicht auf Fakten beruhen“, bleiben. Man will ja schließlich wiedergewählt werden. Darauf spekuliert die Politliga. Darf es sein, dass nur das zählt?

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Quellen:

(1) MT vom 2.03.2017

(2) NWZ vom 2.03.2017