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Cloppenburger Schülerhaushalt 2014

 

Wertevermittlung über die Bertelsmann-Stiftung

 

HFB-14-06-10

 

Eine kritische Betrachtung

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Im Spätsommer 2013 wurde der beschlossen, ein neues Modell der Kinder- und Jugendbeteiligung in Cloppenburg mit der Bezeichnung „Schülerhaushalt“ einzurichten. Gefördert wird der Schülerhaushalt durch die vorwiegend marktorientierte Bertelsmann-Stiftung. Die aktive Beteiligung der Jugendlichen solle garantiert werden, indem ein aktueller Anlass oder ein direkter Zusammenhang mit dem Lebensumfeld der Jugendlichen zugrunde gelegt würde, so die Grundidee des Projektes. Hierzu hat die Stadt Cloppenburg aus ihrem Etat ein Budget in Höhe von jeweils 7.000 Euro bereitgestellt, über dessen Verwendung die Schüler der zwei städtischen Oberschulen, Comenius und Pingel Anton, demokratisch entscheiden sollen. Der jährlich bereitzustellende Betrag ist nur z.T. eine freiwillige Leistung der Stadt Cloppenburg . Er wird zur Hälfte verrechnet mit dem Etat aus dem Schulbudget. Die andere Hälfte ist ein zusätzlich bereitgestellter Geldbetrag.

 

Private und öffentliche Geldwerte: Ein Unterschied

Doch der erzieherische Wert des Budgets entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Mogelpackung. Möge den Schülern die 7.000 Euro aus ihrer privaten Sicht als riesiger Betrag vorkommen, so ist er eher ein Kleckerbetrag, der als Ersatz für öffentliche Ausgaben nicht viel taugt. Öffentliche Ausgaben sind vielmehr mit Beträgen um die Einhunderttausend bis mehreren Millionen Euro anzusetzen. Das zeigen die Erfahrungen bei den Planungen von Mensabauten, Turnhallenrenovierungen oder Schulneubauten.

7.000 Euro sind annähernd ein Zehntausendstel des Städtischen Haushaltes in 2014. Würde diese Relation als großzügige Grundlage für Taschengeldzahlungen in Familien herangezogen, so dürfte ein Kind alleine nicht mehr als (ca.) 35 Cent Taschengeld pro Monat erhalten. Würde das Kind dann auch noch annehmen, mit diesen 35 Cent z.B. sein Zimmer mit einem modernen Teppich, einem Schreibtisch oder sogar einen PC ausstatten zu können, so hat es sich gründlich geirrt. Der private Betrag reicht einfach nicht dazu aus. Für solche Ausstattungsvarianten wären die Erziehungsberechtigten verantwortlich, besonders dann, wenn sie zur Standardausstattung gehörten. Für den Schülerhaushalt der beiden Schulen ist kein privater, sondern ein öffentlicher Betrag von jeweils 7.000 Euro pro Jahr vorgesehen, der auf alle Schüler der jeweiligen Schule zu verrechnen ist. Da dieser öffentliche Betrag für standardmäßige Anschaffungen nicht ausreicht, ist die Stadt als Schulträger weiterhin in die Pflicht zu nehmen.

 

Schüler voller Hoffnung

In der vergangenen Sitzung des Schulausschusses haben Schülerinnen und Schüler der Johann-Comenius-Oberschule und der Oberschule Pingel Anton die bisherigen Ergebnisse des Projektes „Schülerhaushalt“ vorgestellt. Zuvor waren über 100 Einzelvorschläge eingegangen, nachdem ein großer Teil der Schüler befragt worden war. Die Vorschläge wurden anschließend zu 30 Themenfeldern zusammengefasst, die den Ausschussmitgliedern nun von einzelnen Schülern vorgestellt wurden. Die Liste enthält Finanzierungswünsche für Anschaffungen, Verbesserungen und Veranstaltungen. Konkrete Kosten wurden allerdings nicht genannt.

 

Wünsch dir was

So wünschen sich die Schüler z.B. überdachte Fahrradständer und Sitzgelegenheiten auf dem Pausenhof. In der Pausenhalle sollten Sitzecken und Tische den Aufenthalt während der Pausen aufwerten. Notwendig, so die Schülerreferenten, sei die Anschaffung von Schließfächern für jeden einzelnen Schüler in der Schule, um wichtige Bücher und Materialien nicht immer von zuhause zur Schule transportieren zu müssen oder einfach Privatsachen während der Unterrichtszeit sicher lagern zu können. Viele Schüler wünschen sich einen gemeinsamen Kommunikationsraum, der auch für Lehrer offenstehe, so eine Äußerung. Eine solche OASE müsse unbedingt eingerichtet werden, appellierte eine Schülerin.

Neben den Anschaffungswünschen gab es auch Verbesserungsvorschläge wie z.B. der Wunsch nach einem vielfältigeren Angebot an den Schulkiosken. So müssten auch Getränkeautomaten zur Grundausstattung der Schule gehören. Einige forderten sogar Automaten, die Snacks anbieten. Ein Wunsch war es, dass ein Kiosk Döner anbieten solle, um attraktiv zu wirken.

Wenn es nach den Schülern ginge, müssten auch Zuschüsse für Klassenfahrten über den Schülerhaushalt zu finanzieren sein. Ebenso wünsche man sich die Organisation und eine Zuschussfinanzierung eines Winterballs für alle Schüler der Stadt Cloppenburg, so ein weiterer Punkt der Liste.

Man kann sich über den einen oder anderen Wunsch streiten. Viele der vorgetragenen Wünsche gelten allerdings als ein Standard. Hierfür kann der Schülerhaushalt nicht aufkommen, weil das Budget in Höhe von 7.000 Euro bei weitem nicht ausreichen würde. Verantwortlich ist der Schulträger. In diesem Fall die Stadt Cloppenburg. Nur sie kann Verträge mit Automatenverleihfirmen abschließen und nicht die Schüler! Sie ist als Schulträger dafür verantwortlich, dass Fahrräder angemessen untergestellt werden können. Hierfür sind bauliche Maßnahmen zu finanzieren. Der Schulträger ist verantwortlich dafür, dass Kommunikationsräume, Schulhöfe oder Pausenhallen attraktiv gestaltet sind. Er ist dafür zuständig, dass Schulfahrten bezuschusst werden oder dass Verkaufsstände in Schulen zum Zuge kommen, die attraktivere Angebote als die derzeitigen machen.

 

Das Wenige, was bleibt!

Selbstverständlich sollten die Schüler weiterhin in Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden. Nur mit einem Budget von nur 7.000 Euro ist das nur äußerst begrenzt möglich. Die Umsetzung der vorgetragenen „Wünsche“ würde weit über das Budget hinausgehen. Das Projekt „Schülerhaushalt“ würde nicht mehr greifen. Die Schüler blieben außen vor. Und wenn man ihre größtenteils berechtigte Wunschliste durchrechnet, werden sie das auch schnell sein. Daher muss die Wunschliste stark gekürzt und auf den Punkt gebracht werden. Das soll im nächsten Durchgang der Schülerberatungen auch geschehen. Am Ende sollen Vorschläge formuliert werden, die durch die Mehrheit aller Schüler Unterstützung finden.

Die Stadt Cloppenburg trägt weiterhin der Hauptverantwortung für den Zustand der Schulen. Daher ist die Stadt in der Pflicht, die Wünsche zu erfüllen, die eigentlich keine sein dürften, weil sie standardmäßig umgesetzt sein sollten. Die Schüler haben ein Recht darauf. Bildungseinrichtungen sollten bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Hierzu sind ausreichend Mittel in den Haushalt zu stellen.

Mit 7.000 Euro bringt man keinen echten Demokratieprozess in Gang. Die pflichtbewussten Schüler werden das schnell merken, wenn der Reiz des neuen verflogen ist. Sie werden feststellen, wie wenig sie mit dem jetzigen Budget erreichen können. Traute man den Schülern mehr zu, so wäre ein Budge in Höhe von 30.000 Euro pro Schule ein deutlich angemesseneres.

 

Geldwerte vor Sozialwerten?

Für die Zukunft stellt sich die Frage, ob auch die übrigen städtischen Schulen einen Schülerhaushalt verwalten sollten. Zurzeit ausgeschlossen sind nämlich die Grundschulen, die von Kindern zwischen 6 und 10 Jahren besucht werden. Die Arbeitsgruppen würden dann auch von einem Projektbetreuer der Stadtjugendpflege betreut und beraten, dennoch darf daran gezweifelt werden, ob den Kindern und Jugendlichen demokratische Umgangsformen ausschließlich über Anreize mit hohen Geldbeträgen vermittelbar sind. Im Mittelpunkt sollten nicht Geldwerte, sondern vielmehr Sozialwerte stehen, die in unserer Gesellschaft immer mehr ins Hintertreffen gelangen.

 

Vertreter einer neoliberalen Wirtschaftspolitik

Aber das Projekt „Schülerhaushalt“ ist eine Initiative der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung. Sie hat es zur Aufgabe gemacht, den Bürgern  neoliberale Maßstäbe der Wirtschaftspolitik in Form von hochbezahlten Beratertätigkeiten zu vermitteln. Ganz im Sinne der Agenda 2010 stellt sie Maßstäbe dieser Wirtschaftspolitik z.B., Unternehmensprofite mit maximalen Werten ohne Rücksicht auf soziale Belange als Ideal dar. Maxime dieses Denkens sind: So wenig Staat wie möglich durch Privatisierung möglichst vieler öffentlicher Einrichtungen. Das betrifft z. B. Krankenhäuser, Transportunternehmen oder auch Bau von Straßen bei größtmöglicher Rationalisierung aller Bereiche, wie z.B. bei den Arbeitsplätzen und den Löhnen der arbeitenden Menschen. Ginge es nach der Bertelsmann-Stiftung, so sollen in Zukunft selbst Schulen, die möglichst nach dem ÖPP-Prinzip privat finanziert und an die Stadt teuer vermietet sind, wie Unternehmen geführt werden. Der Schulleiter wird nicht mehr ein Pädagoge sein, sondern ein Wirtschaftsfachmann, der nach amerikanischem Vorbild z.B. auch Personalkosten, wie Lehrergehälter, möglichst niedrig zu halten hätte. Diese Entwicklung macht Fortschritte: Mit der Eigenverantwortlichkeit (Selbstständigkeit) hat es an den Schulen in Niedersachsen bereits begonnen. Schon heute verfügen sie über eigene Budgets. Sie können selbst Lehrer einstellen. Auf diese Weise werden Schulstandorte personell benachteiligt, die für Lehrkräfte weniger attraktiv sind. Hierzu gehört auch Cloppenburg.

 

Politik erkennt Gesamtzusammenhänge nicht

Viele soziale Verwerfungen der heutigen Zeit sind auf genau dieses profitorientierte Denken zurückzuführen, für das sich die Bertelsmann-Stiftung (profitorientiert) engagiert. Hierbei werden Geldwerte als Gewinne, Dividenden oder Renditen, aber auch Budgets nach planwirtschaftlichen (!) Gesichtspunkten in den Mittelpunkt gestellt. Ein Vertreter und Förderer dieses Denkens ist die Bertelsmann Stiftung. Bei der Entscheidung über den Schülerhaushalt in Cloppenburg ist so gut wie keine Kritik an dem generellen Denkansatz dieser Stiftung geübt worden. Das ist höchst bedenklich, da besonders die SPD vorgibt, sich nach der „Fehlentscheidung Agenda 2010“ nun konsequent für soziale Belange einsetzten zu wollen. Doch ohne die Kenntnis über die Gesamtzusammenhänge wird das wohl kaum widerspruchsfrei gelingen.