Teile der SPD-Basis sind begeistert von so viel Lebensnähe und Professionalität. Spricht Lange doch genau das aus, was vielen Genossen seit Jahren auf der Zunge liegt: Die SPD und ihr Personal müssen sich erneuern. Auch der SPD-Vorstand müsse sich eine Auszeit nehmen, um gemeinsam mit der breiten Basis einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. So schnell wie möglich, bevor zu spät dafür ist, meint Lange und fährt fort. Momentan sei der Umgang des Vorstandes mit der Partei eher unglaubwürdig, weil wenig vorbildlich.
Ämterhäufung entspreche nicht den demokratischen Gepflogenheiten. Das Amt des Fraktionsvorsitzenden mit dem der Parteivorsitzenden verknüpfen zu wollen, werde kontraproduktive Auswirkungen haben und sei in früheren Jahren nicht üblich gewesen. Lange „ärgert sich tierisch“ über die Forderung nach einer Personalunion. Vielmehr böten neue Köpfe die neuen Ideen. Alles habe seine Zeit. So auch das Personal, betont Lange und erntet Beifall. Zudem sei die Zeit gekommen, so Lange, nun auch ehrenamtliche Beigeordnete in den SPD-Vorstand zu berufen.
Für Lange ist klar, dass die SPD die soziale Frage wieder zentral im Mittelpunkt stellen müsse. Sie fragt daher, wessen Interessen eigentlich vertreten werden sollen? Es seien doch die Interessen der Menschen, „die uns am meisten brauchen“, ist sie sich sicher. Lange fordert ihre Partei auf, das Menschenbild zu reformieren. Mit Harz IV sei das auf Abwegen geraten. Der Niedriglohnsektor müsse abgeschafft werden. Genau das sei eins der wirklichen Ziele. Der Ruf nach „Gerechtigkeit“ könne nicht ein ernstgemeintes Ziel sein, da Gerechtigkeit einen finalen Zustand beschreibe, merkt Lange an.
Zustand oder Ziel! Egal! Die Botschaft ist verstanden. Lange pocht auf das Bekenntnis zu konkreten Maßnahmen. Damit hat sich die SPD Parteielite bisher eher schwer getan. Klare Worte findet Lange sodann zur Zustimmung der SPD-Basis zur GroKo. Die Abstimmung sei alles andere als fair verlaufen. Die Zustimmung zur GroKo ließe sich von einer Angstkultur ableiten, die stets den möglichen Schaden, und nicht den Erfolg, in den Mittelpunkt stelle. Diese Angstkultur müsse zugunsten von zukunftsweisenden Visionen abgelöst werden. Nur so könnten die inhaltlichen Positionen der gesamten Parteibasis zur Geltung kommen. Damit unterliege der Erneuerungsprozess innerhalb der Partei nicht mehr der bisherigen Blockade, ist sich Lange sicher. Nunmehr aber stünde das Abstimmungsergebnis fest. Die Entscheidung für die GroKo sei demokratisch anerkennenswert und man müsse diesen Weg nun nicht politisch schlechtreden, bekräftigt sie.
Zur „Basisdemokratie“ fallen weitere klare Worte: Ein wirklicher Neuanfang könne es mit Olaf Scholz und Andrea Nahles nicht geben. Zwar sei vielen Genossen die Erneuerung das Wichtigste, aber ganz am Ende habe die sich die Mehrheit der Genossen immer wieder von der Presse treiben lassen. Zuletzt seien sie mit dem Totschlagargument „Verantwortung für Deutschland“ über den Tisch gezogen worden.
Nun wolle sie, Lange, als Alternativkandidatin antreten, nicht als Gegenkandidatin. Das Abstimmungsergebnis sei ihr gar nicht so wichtig, versichert sie. Im Mittelpunkt stehe das Zeichen, welches sie mit ihrer Kandidatur setze. Dass der Parteivorstand, namentlich der kommissarische Vorsitzende Olaf Scholz und die designierte Vorsitzende Andrea Nahles, daran zu knacken hat, steht außer Zweifel. Man darf auf das warten, was auf dem SPD-Sonderparteitag in Wiesbaden geschieht. Sicher ist bereits jetzt, dass Simone Lange keine Randnotiz bleiben wird. So oder so: Ihr Auftritt auf dem Sonderparteitag in Wiesbaden sollte die SPD wachrütteln. Zumindest wird die Zahl kritischer Stimmen wachsen.
____________________________
Bilder: BERGMANN
|