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„VERBINDLICHES VOTUM“

Wie die SPD-Mitglieder über den Tisch gezogen werden sollen

HFB-18-02-24

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In diesen Tagen sind 460.000 SPD-Mitglieder aufgerufen, ihr Votum für oder gegen die GroKo mit der Union (CDU/CSU) abzugeben. Das Votum wurde möglich, nachdem der Bonner SPD-Sonderparteitag am 21. Januar 2018 grünes Licht für die Koalitionsverhandlungen signalisiert hatte. Das aber nur unter der Bedingung, das Ergebnis der Sondierungsgespräche weiter zu verbessern. So wurde den SPD-Sondierern zur Aufgabe gemacht, die Bürgerversicherung, den Familiennachzug für Flüchtlinge sowie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen durchzusetzen.

Nach den Koalitionsverhandlungen aber war klar, dass keiner dieser Aufträge erfüllt war. Auch marginale Korrekturen zu den einzelnen Verhandlungsthemen konnten nicht darüber hinwegtäuschen. Punkte gesammelt haben die SPD-Sondierer zu guter letzt mit dem umstrittenen Postengeschacher, das in der Öffentlichkeit nicht gut ankam. So fiel u.a. das Ressort des Finanzministeriums an die SPD. Wer bisher dachte, die Politik der „Schwarzen Null“ sei damit ausgesetzt, der sah sich getäuscht. Damit war klar, dass sich die politische Zukunft Deutschlands auf das “weiter so” konzentrieren sollte. Somit relativierten sich auch die Finanzversprechen in Milliardenhöhe zum Tropfen auf den heißen Stein. Von den Renten- und Versorgungsversprechen ganz abgesehen. Ein Politikwechsel sieht anders aus.

Ebenso nicht grundlegend erneuern wird sich das Personal in der SPD-Führung. So wurde nach heftigen Kritiken Olaf Scholz zum kommissarischen Parteivorsitzenden bestimmt. Als ehemaliger Arbeitsminister steht er stramm zu Schröderschen Agenda 2010, mit den dazugehörigen Maßnahmen wie Leiharbeit, Lohnkürzungen, Rentenkürzungen und Harz-IV-Gesetzen. Auf dem SPD-Parteitag am 7. Dezember 2017 wurde Olaf Scholz bei der Wahl um die sechs Vorstandsposten mit nur 59,2% der Stimmen regelrecht abgestraft. Nunmehr wäre es demokratischer gewesen, die mit 97,5% der Stimmen gewählte Malu Dreyer für den Posten des kommissarischen Parteivorsitzenden einzusetzen, der gegen alle geltenden Parteiregeln zunächst von Andrea Nahles beansprucht wurde. Vom personellen Erneuerungsprozess in der SPD also keine Spur. Das gilt natürlich auch für die Union: Neue alte Bundesverteidigungsministerin soll einmal mehr Ursula von der Leyen werden, obwohl sie in ihrem Amt wenig überzeugt hat. Das aber darf kein Trostpflaster für die SPD sein, um den Erneuerungsprozess unter den Tisch kehren zu können.

Ach ja: Dann ruft gerade Andrea Nahles ihre Partei zu mehr Disziplin auf. Bei so vielen Streitereien innerhalb der Auserwählten und einem Umfragewerten von deutlich unter 20% ist das natürlich angebracht. Doch diese Moralkeule schwingt gerade die Politikerin, die sich an den SPD-Parteistatuten vorbei zunächst zur kommissarischen Parteivorsitzenden machen wollte, obwohl sie als Parteivorsitzende bei Dreivierteln der Bürger nicht erwünscht ist. Dieser Disziplinlosigkeit jedoch wurde aus den eigenen Reihen heraus ein Riegel vorgeschoben.

Mit makelloser Selbstüberschätzung biedert sich Nahles den eigenen Genossen um so penetranter als zukünftige Parteivorsitzende an. Gerade dann, wenn sie endlich gewählt wäre, würde die SPD weiterhin keine nachhaltige Anerkennung in der Öffentlichkeit finden. „Bätschi“, „(…) und ab morgen kriegen die einen in die Fresse“ oder „Für die Leute machen wir das, verdammte Kacke nochmal“ sprechen eine allzu deutliche und vor allem disziplinlose Sprache.

Nun liegen allen SPD-Mitgliedern die Wahlunterlagen vor. Mit diesen wird schon mal klargestellt, dass es sich nicht um ein reines Votum handelt. Ausdrückliche wird auf ein VERBINDLICHES MITGLIEDERVOTUM hingewiesen. Das allerdings kann es mit diesem Zusatz nicht geben kann,da es ansonsten kein Votum mehr wäre.

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Ein Votum ist stets unverbindlich. So die Rechtslage. Das anders zu verkaufen, ist schon hanebüchen.

Eine Entscheidung, die durch ein Votum zustande kommt, kann niemals verbindlich sein. Und gerade weil Worthülsen immer wieder zum Alltag der Politik gehören, wirken sie nicht mehr überzeugend. Besonders in der Zeit nach der Bundestagswahl sind die Bürger noch hellhöriger und aufmerksamer geworden. Das lässt hoffen.

Bei der weiteren der Durchsicht der Wahlunterlagen war den eigenen Augen nicht nicht mehr zu trauen. Hat doch der Parteivorstand auf drei Sonderzetteln noch einmal hektisch die Werbetrommel für die GroKo gerührt. U.a. durch Auflistung der altbekannten Gesichter, die durch ein NEIN zur Groko nur verlieren könnten. Offenbar werben prädestinierte Lohnabhängige der SPD öffentlich für die GroKo und versuchen so, nicht nur ihre uneingeschränkte Loyalität zum Zwecke des Eigennutzes unter Beweis zu stellen, sondern auch die lokalen Genossen windelweich zu kochen. Hierbei bedient man sich vielschichtiger Einflussmöglichkeiten und warnt eindringlich vor den fatalen Folgen, wenn die GroKo scheitern sollte. “Fürchtemachen”, streng nach dem Motto: „Terret vulgus, nisi metuat“ („Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist“.) Und wie man leicht feststellen kann, fallen auch Garreller Genossen im Landkreis Cloppenburg darauf rein. Verhohlen und unverhohlen werden alle SPD-Mitglieder aufgefordert, mit JA zu stimmen.

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Hier scheint die inhaltliche Bewertung völlig unter- gegangen zu sein. Der Ãœberlebenskampf einer Partei sollte sich durch Inhalte und nicht durch eine Notlage gestalten. Letztendlich wäre man ständig im Kreis einer Konsensfalle und nichts wäre veränderbar./Kollage aus der MT vom 22.02.2018.

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Die aus dem Original gefertigte Kollage zeigt die Art und Weise, mit der ein zweifelhafter Einfluß auf die SPD-Mitglieder ausgeübt werden soll. Wo bleibt die Chance der Jusos, sich artikulieren zu können? Der Leser muss sich nicht entschuldigen, wenn er instinktiv mit dem Begriff Bananenrepublik konfrontiert wird.

Zuletzt solle das „Votum“ durch eine eidesstattliche Erklärung ergänzt werden, so die Aufforderung. Der Anschein, nunmehr die juristischen Grundlagen erbracht zu haben, täuscht. Vielmehr wird die Neutralitätspflicht in einer außerordentlich mitgliederverachtenden Art und Weise ausgehebelt.

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Es bleibt nur zu hoffen, dass die Stimmauszählung des Mitgliedervotums auch unter notarieller Aufsicht erfolgt und dass das Ergebnis der Votierung eidesstattlich bekannt ge- geben wird.

Hat ein Bürger in einem Wahllokal jemals erfahren, dass ihm neben dem Stimmzettel ein Flyer der AfD oder CDU überreicht worden wäre? Nicht auszudenken, was dann mit so einem Wahlergebnis passiert wäre. Nunmehr lässt die bananenrepublikanische Einstellung der SPD-Führung grüßen und es dürfte klar sein, dass mit dem aktuellen Personal der SPD Hopfen und Malz verloren ist.

Da bekannt ist, dass die meisten Genossen die 177 Seiten des Koalitionsvertrages nicht gelesen haben oder die schmierigen Formulierung nicht konkret deuten können, wird versucht, sie mit fadenscheinigen Manipulationsstrategien hinters Licht zu führen. Daher wird eine große Anzahl der Votierer die Empfehlungen der SPD-Parteispitze für bare Münze nehmen, wobei zumindest ein knappes JA zur Groko nicht ausgeschlossen bliebe.

Koalitionsvertrag-2018

Wie auch immer die Inhalte gestaltet werden: Es wird die SPD sein, die mit ihrer eigenen Dynamik konfrontiert wird, die vor allem keinen Zusammenhalt verspricht. Vor allem die Unkontrollierbarkeit derselben innerhalb der SPD sollte eine Warnung für alle sein, die noch ein wenig Hoffnung auf bessere Zeiten haben. So kann das nichts werden.

Wie das Votum auch immer ausfallen wird. Sicher ist, dass es knapp ausfällt. Doch jedes knappe Ergebnis führt zur Spaltung. Danach käme die SPD nicht mehr zur Ruhe. Eine sich zuspitzende Eskalation zwischen den beiden SPD-Flügeln, Befür- wortern und Gegnern der GroKo,  scheint die Parteiführung nicht wirklich zu interessieren.

Außerodentlich bedeutsame Entscheidungen verlangen Besonnenheit. so wäre es besonnener gewesen, zumindest eine Zweidrittelmehrheit für das aktuelle Votum vorauszusetzen. Zumindest in Kommunalverfassungen sind Abstimmungen so geregelt, dass auch höchst umstrittene Ergebnisse höchstmögliche Stabilität garantieren. Ãœber den Sinn und Zweck einer zweidrittel Mehrheitsentscheidung sollte jeder Politiker bescheid wissen. Doch der befangenen SPD-Parteiführung geht es ausschließlich um das JA und nicht um das NEIN zur GroKo. Mit einer Zweidrittelmehrheit könnten sie ihre selbst zugebilligten Ministerposten niemals erreichen. Der blinde Ehrgeiz scheint nur zu bestätigen, dass politische Posten von außerordentlichem Interesse sind. Nunmehr treten die feudalen Strukturen innerhalb der angeblichen Parteidemokratie öffentlich zutage.

Bei diesem dramatischen Trauerspiel mit dem Titel “Wir sind die Demokratie, die nicht sterben darf” scheinen die Jusos als Gegenspieler der GroKo in einer starken Position. Ihre Stärke liegt allerdings eher in der rhetorisch ausgefeilten Kritik, die namentlich durch den Juso-Chef Kevin Kühnert zur Geltung kommt. Doch leider ist ausschließlich Kritik das Aushängeschild. Obwohl die Jusos eine programmatische und personelle Erneuerung fordern, ist nicht klar, in welche Richtung es gehen soll. Inhaltlich werden nur singuläre Details genannt, die das „große ganze“ nicht erkennen lassen. So sehen sie den Begriff der politischen „Mitte“ immer noch als Sinnbild des humanistischen Politikbildes, welches nuanciert eine linke und rechte Seite zu bieten hätte.

Dass die politische „Mitte“ inzwischen zum Neusprech gehört, welches auf Globalisierung, Finanzkapitalismus und Marktkonformismus abzielt, und es in diesem Bedeutungszusammenhang kein Zufall ist, dem Synonym „Mutti“ zu entsprechen, scheinen selbst die Jusos noch nicht bemerkt zu haben. Es genügt also nicht das Mantra, sich wortgewaltig von der Agenda 2010 lossagen zu wollen. Vielmehr sind Auffassungsgabe, Geschichts- und Politikverständnis sowie eine gehörige Portion Mut weitere Voraussetzungen, damit der Erfolg einer demokratischen Erneuerung wenigstens ansatzweise garantiert ist.

Für die SPD-Parteiführung allerdings stirbt die Hoffnung zuletzt. Das scheinbar alternativlose JA zur GroKo und das damit verbundene “Mutti-Programm” müssen unbedingt durchgeboxt werden. Mit welchen Mitteln auch immer. Mittlerweile dürfte klar sein, dass das Soziale nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. So taugt das soziale Aushängeschild nur noch als Beruhigungspille, um wenigsten die Mehrheit für “Mutti” zu retten. Hierzu ist sich die SPD-Führung nicht zu schade.

Wer eigentlich zählt die Stimmen des SPD-Mitgliedervotums? Von einer notariellen Auszählung war bisher nichts zu hören. Aber davon abgesehen: Sollte es zu einem JA kommen, wird die zukünftige SPD-Fraktion in Regierungsverantwortung gehörig unter Zugzwang stehen. Schließlich will die SPD ihr Image aufpolieren und durchsetzungsstark und überzeugend wirken. Vielleicht durch fein dosierte Nadelstiche, durch Provokationen oder durch die allzu bekannte Undiszipliniertheit einer Andrea Nahles? Die Öffentlichkeit würde derartige „Ausfälle“ wohl kaum für Gut heißen.

Ob besonders die Union die sich anbahnende Disziplinlosigkeit in der Koalition tolerieren wird, darf bezweifelt werden. Sie könnte sich herausgefordert fühlen und ihre bisher äußere Diszipliniertheit im Umgang mit Streitfragen als unschlagbaren Gegenpol unter Beweis stellen. Die SPD würde verlieren und zur Bedeutungslosigkeit herabgestuft. Damit wäre eine GroKo auf kurz oder lang zum Scheitern verurteilt.

Mit einem möglichen JA ließe sich der Abwärtstrend der SPD erst recht nicht stoppen. Auch deshalb, weil die Aufspaltung der SPD weiter voranschreiten wird und die ebenfalls auf lokaler Ebene bekannte Undiszipliniertheit weiterhin ein auffälliges Markenzeichen der SPD bleibt. Verantwortung, Vernunft und Vertrauen sehen anders aus.

Die GroKo könnte dieser Partei noch als gehöriges Desaster über beide Ohren wachsen. Mit einem möglichen JA zur GroKo wären die Probleme der SPD nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Die SPD hat nicht begriffen, dass sie selbst ihr größter Feind ist. Denn schon lange arbeitet sie gegen ihr eignes Klientel, welches nur noch als Stimmvieh für “Mutti” verwertbar scheint. Zudem folgt die nächste Bundestagswahl so oder so! Dann auch sollte das bittere Ende nicht mehr fern sein.

 

 

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