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Der Fall Elke Twesten

Parteiwechsel hat es auch bei der SPD gegeben

Wieder regiert der Populismus

HFB-17-08-05

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Elke Twesten ist aus der Grünen-Fraktion ausgetreten. Die Empörung bei den Grünen und den Sozialdemokraten ist groß. Sie fahren auf Krisenmodus, während  die CDU-Landtagsfraktion sich hell auf begeistert zeigt. Kann sich doch nun die CDU zusammen mit der FDP auf die Einstimmenmehrheit im Niedersächsischen Parlament berufen.

 

Wieder einmal wird viel von Moral und Legitimität geredet. Es regiert der Populismus. Doch was ist wirklich daran an der Schlüssigkeit der Argumente, die vor allem von Seiten der verärgerten SPD kommen?

Vorweg: Fraktionsaustritte und -wechsel hat es schon immer gegeben. Wer sich nicht daran erinnern will, wirft mit Steinen im Glashaus. Gustav Heinemann z. B.,  Bundespräsident von 169 – 1974, wechselte im Jahr 1957 von der CDU in die SPD. Ausgehandelt war, dass ihm nach dem Wechsel ein aussichtsreicher Listenplatz für die nächste Bundestagswahl zugestehen würde. Otto Schily, Bundesjustizminister von 1998 – 2005, scheiterte bei den Vorstandswahlen  der Grünen und wechselte 1989 zur SPD, in der er sodann seine politische Kariere machte. In beiden Fällen fand das keiner der Genossen unmoralisch oder nicht legitim. Aus heutiger Sicht dürfte klar sein, dass Heinemann und Schily –trotz mancher Kritik an ihnen-  eine Bereicherung für die SPD waren.

Etwas anders liegt der Fall bei Wolfgang Clement, der von 1998 – 1998 SPD-Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen war. Er scheiterte an der  Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium zu einem Ressort. 2002 wurde er Bundesarbeitsminister. Nach einem gescheiterten Parteiausschlussverfahren wegen zu großer Nähe zur FDP trat Clement 2008, nach 38 Jahren Mitgliedschaft, aus der SPD aus. Clement, so seine Worte, wolle sich als „Sozialdemokrat ohne Parteibuch“ weiterhin an weiteren Diskussionen nach Kräften beteiligen. Ob Clement mit diesem Vorsatz, trotz innigster Verbundenheit zur FDP, glücklich wird, darf bezweifelt werden.

Nun kommt aber der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, blendet die Vergangenheit seiner eigenen Partei aus und nimmt für sich die Deutungshoheit mit der furiosen Aussage in Anspruch, der Ãœbertritt von Elke Twesten von den Grünen zur CDU sei zwar legal, aber nicht legitim. Hierbei beruft er sich mittelbar darauf, dass es gewählte Abgeordnete erster und zweiter Klasse gibt. Zu den Abgeordneten der ersten Klasse zählt er die direkt gewählten, zu denen der zweiten Klasse die, die über die Landesliste gewählt wurden. Heil übersieht, dass das passive Wahlrecht eine solche Klassifizierung nicht zulässt: Es gilt immer noch:  Gewählt ist gewählt.

Auch irrt sich Heil, wenn er meint, die Landesliste sein für den Wähler der verbindliche Ausdruck der SPD überhaupt. Heil will nicht wahrhaben, dass auf einer solchen Liste auch Personen stehen, die eine Persönlichkeit ausstrahlen. Wer sagt denn, dass die Parteiliste für den Wähler im Vordergrund stehen muss? Können es auch nicht alle Persönlichkeiten zusammen sein, die auf einer solchen Liste stehen? Heils Argumentation ist nicht sauber. Einen stichhaltigen Nachweis für seine eigensinnige These gibt es nicht; schon gar nicht die über die Abgeordneten erster und zweiter Klasse.

Aber es geht weiter mit unbewiesenen Behauptungen. Elke Twesten habe ausschließlich die Fraktion gewechselt, um Rache an ihrer Partei zu nehmen. Twesten aber sagt, sie habe ihre Fraktion verlassen, weil sie die politische Richtung ihrer Partei nicht mehr mittragen konnte oder wollte. Das sei ein langer Prozess gewesen, der zu Konflikten mit den eigenen Parteimitgliedern geführt habe. Nur dafür sei sie abgestraft worden.

So wurde Twesten als Landtagskandidatin der Grünen für die Wahlen im Februar 2018 nicht mehr vorgeschlagen. Es deutet also vieles darauf hin, dass Twesten mit der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Partei nicht einverstanden war und sie dabei bei den eigenen Parteimitgliedern angeeckt ist. Ihr aber nun ausschließlich zu unterstellen, sie habe die Fraktion gewechselt, um Rache an ihrer Partei zu nehmen, ist schon dreist. Wenn der Generalsekretär mit dieser Behauptung bei seinen Genossen überwiegend auf Zustimmung stößt, ist das zu verstehen, denn nur wenige hinterfragen die gestreut emotionalen Pamphlete, die die Führungsspitzen der SPD einfach mal schnell von sich geben.

Hier liegt der Hase im Pfeffer. Die SPD-Basis hinterfragt immer weniger die Richtung, die die Parteispitzen vorgeben. So hat unter Gerhard Schröder (Bundeskanzler von 1998 – 2005) mit der Verabschiedung der Agenda 2010 ein radikales Umdenken „von oben“ in der SPD eingesetzt. Die Sozialpolitik wurde zugunsten der Wirtschaftspolitik ins Abseits gedrängt Die Partei schrumpfte auf die Hälfte aller Mitglieder und stürzt nun von Wahl zu Wahl ins Bodenlose. Inzwischen hat sie den Status eine Volkspartei verloren. Ein Großteil derjenigen, die der SPD immer noch die Treue halten, will immer noch nicht wahrhaben, dass die einstige Willy-Brandt-Partei zur Gerhard-Schröder-Partei mit einem falschen Etikett mutiert ist.

Wenn eine solche Mutation schleichend einsetzt, ist es auch für Abgeordnete auf allen politischen Ebenen legitim, solche Fraktionen zu verlassen. Oskar Lafontaine, SPD-Parteivorsitzender von 1995 – 1999, wollte das falsche Etikett der SPD nicht mehr bedienen. Er trat aus der SPD aus und gründete eine neue politische Bewegung, die letztendlich unter der Bezeichnung „Die Linke“ bekannt ist.

In der Kommunalpolitik ist die Cloppenburger SPD-Links-Fraktion nur ein Paradebespiel für eine solche Mutation. Schon seit mehreren Perioden wurde die Richtung der SPD von den Cloppenburger Grünen bestimmt. Es gab einfach keinen Fraktionsvorsitzenden, der eigenständig die Richtung vorgeben konnte. Schon damals standen politische Ämter und nicht politische Inhalte im Mittelpunkt des Handelns.

Nach der Cloppenburger Kommunalwahl 2016 sollte aber noch schlimmer kommen. In den Fraktionsspitzen sitzen nun vorwiegend Trophäensammler, denen ausschließlich Ämter wichtig sind. Hierbei gerät die Politik völlig ins Abseits. So werden die bisherigen Austritte (Dr. Hermann Bergmann 2013 und Christian Albers 2017) nicht die einzigen bleiben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen noch weitere.

Austritte sind nichts Verwerfliches, wenn die Einsicht der Fraktionsspitzen völlig verloren gegangen ist. Besonders dann, wenn diese Spitzen ihren politischen Erzfeind, die CDU, dummdreist bedienen, nur um Posten zu ergattern. Dafür sind sie nicht gewählt. In Cloppenburg ist die Öffentlichkeit nunmehr auf der Seite der kritischen Fraktionsmitglieder. Somit auf Seiten der derjenigen, die den Bürgern als Mandatsträger mehr zu Gute kommen als Trophäensammler und politische Schreihälse!

Es ist nur eine Frage der Vergangenheit, des Standpunktes und der Verschiebung der politischen Ausrichtung (Mutation), um Fraktionsaustritte und Parteiübertritte objektiv und ohne populistische Irritationen korrekt bewerten und kommentieren zu können. Wenn die SPD den Übertritt Twestens zur CDU-Fraktion bedingungslos aufklären will, so sollte sie sich fragen, was das bringen soll. Sie sollte vielmehr über die eigene Vergangenheit nachdenken. Doch Aktionismus scheint ihr wichtiger zu sein als Besonnenheit. Vielleicht wird diese Aktion nur das letzte Gefecht vor einer bereits gefühlten Wahlniederlage sein, wobei der Schuss nach hinten losgehen wird.

Schade für den Niedersächsischen Ministerpräsident Stefan Weil. Er hatte stets einen guten Eindruck gemacht. Hoffentlich lassen ihm seine Genossen die Chance, dass das zumindest bis zur kommenden Landtagswahl auch so bleibt.

 

 

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