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Klimaschutz, Haushalt, Wirtschaft
Die vergessenen Bürger*innen
Glauben an Gespenster
HFB-22-12-16
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Kurz vor dem Weihnachtsfest 2022, dem Fest der Liebe, der Hoffnung und des Friedens, schlagen die Wellen wiederum hoch. In der Cloppenburger Lokalpolitik, in der der eine den anderen überbieten will. Angefacht durch das Bauvorhaben an der Ecke Niedriger Weg/ Eisenbahnstraße. Angeblich übersehen ein „vergessener Wald“, der dem Klimaschutz zum Trotz nun doch zu Brennholz werden soll. Streng nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft. Das bringt so manchen heimischen Klimaschützer auf die Barrikaden. Hierbei verlieren politische Brennpunkte an Bedeutung, während sich die Lokalpolitik im Gewühl der Nebenschauplätze verliert. Und das im Glauben an Gespenster, einhergehend mit einer ausufernden Zahl von mehr als 100 Sitzungen in Ausschüssen, Arbeitskreisen und -gruppen. (01) Die Bürger*innen haben wirklich andere Sorgen.
Wenn man den Medien Glauben schenken darf, so steht Klimaschutz über alles anderem. Schließlich soll keiner den Hitzetod erleiden. Die Erde darf sich in 20 bis 30 Jahren keinesfalls bis ins Unerträgliche erwärmen. Dann wäre auch kein Kleber linksradikaler Aktivisten nützlich, um dagegen zu protestieren. Er würde einfach nicht mehr am aufgeweichten Teer des Straßenasphalts halten.
Was hier so ironisch klingt, steht genau für die Kategorien, für die die aufgeweicht klebrige Politik im Cloppenburger Rathaus steht. Dort hat Klimaschutz mit der Stimmenmehrheit von CDU, FDP und ZENTRUM keine Priorität. Vielmehr gelten die Gesetze der freien Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber. Nach dem Vorsatz: Marktwirtschaft killt Klimaschutz. Dafür müssen Argumente herhalten, die an den Haaren herbeigezogen sind. Von Fraktionsmitgliedern, die sich bequemen, auf den Polstern ihrer weichen Ratssessel einfach sitzenzubleiben, ohne je das Corpus Delicti, also den „vergessenen Wald“, in Augenschein genommen zu haben. Letzteres betrifft im Übrigen alle Fraktionen. Und in diesem Fall besonders die, die meinen, Politik funktioniere nur mit moralischen Gesten und viel Papier, auch wenn man die detaillierten Informationen der Verwaltung darauf nicht einmal zur Kenntnis nehmen will.
Und wenn es in einer Pressemitteilung der Münsterländischen Tageszeitung plötzlich heißt, „Die Rodung des 9.200 Quadratmeter großen <vergessenen Waldes> an der Ecke Niedriger Weg/Eisenbahnstraße ist aller Voraussicht nach besiegelt“, (02) dann war das auch nicht anders zu erwarten, trotz aller Bekenntnisse zum Klimaschutz. Denn in der Politik zählen Worte und keine Taten. Verdrehte Worte, die da heißen, „auf der Fläche [handle] es sich nicht um Bäume (…)“ und delegierte Taten, die letztendliche den Bürger*innen aufgedrückt werden. Mit der Vorgabe, nach KfW-Richtlinie 40 ihre neuen Häuser zu bauen, (03) Fotovoltaik auf ihre Hausdächer zu installieren und zusätzlich auf dem Flachdach ihrer Garagen noch einen schönen Rasen zu säen. D.h. sie sollen für das teuer bezahlen, was letztendlich auf dem Papier steht. Alles für den Klimaschutz, der im Cloppenburger Rathaus nur solange gilt, wie dieser keine lukrativen Investitionen von betuchten Bauinvestoren behindert.
Dort auf der Waldesflur solle sozialer Wohnraum geschaffen werden, ließ der Fraktionsvorsitzende der CDU/FDP/ZENTRUM-Gruppe, Professor Dr. Marko Beeken, dann auch verkünden. Das aber nur nebenbei, denn er scheint aufgrund der im Jahre 1990 ausgehebelte Gemeinnützigkeit der Wohnungsbaugesellschaften auch nicht so recht an deren Effizienz glauben zu wollen. (04) Ausgedrückt in dem Satz, „dass auf der Fläche dringend gesuchter, darunter (!) auch sozialer Wohnraum, geschaffen werde, gebaut nach hohem Energiestandard und mit begrünten Dächern“. Richtig, denn das Soziale ist stets der politische Steigbügelhalter, um alles oder nichts zu verkaufen. Somit dürfte wieder mal klar sein: Nachhaltig erschwingliche Mieten werden hierbei nicht anfallen. Auch nicht für die inflationsbedingten Geringverdiener. Der „Soziale Wohnraum“ sei dahingestellt als Placebo der politischen Agenda. Am Ende ist es das äußerst lukrative Geschäft des Investors, welches das „Soziale“ aushebelt.
Im Übrigen ist die Bauwirtschaft eine der größten Klimakiller überhaupt. (05) Doch sich darüber kritisch auszulassen, liegt den politischen Bauunterstützern der Cloppenburger Lokalpolitik überhaupt nicht. Vielen fehlt es an grundlegenden Hintergrundinformationen. Stattdessen heißt es: „Letztlich sei das geplante Vorhaben nachhaltiger, denn der Betrieb (Steinmetzbetrieb Dierkes, Anm. d. Red.) ersetze seine alten Hallen durch deutlich energieeffizientere Hallen an anderer Stelle, wodurch letztlich CO2 eingespart werde“. (06) Wo bitteschön wird denn bei dem geplanten baulichen Gesamtvorhaben an der Ecke Niedriger Weg/ Eisenbahnstraße CO2 eingespart? Es geschieht doch genau das Gegenteil, weil die Baumaterialien, besonders ihre energieverschwenderische Herstellung, nicht einmal annähernd den erforderlichen Klimaschutzbedingungen angepasst sind.
Die Ignoranz gegenüber gesicherten Fakten ist nicht zu übersehen und kommt der Unwahrheit schon fast zu nahe. Diese artikulierte sich bereits im Vorfeld der Debatte um das Für und Wieder im Stresstest der politischen Diskussion um den Bebauungsplan an der Ecke Eisenbahnstraße/ Niedriger Weg. War es doch der GRÜNE Abgeordnete, Michael Jäger, der mal wieder das entsprechende Ratsprotokoll nicht gelesen hatte, um anschließend zu behaupten, man habe dort den Wald verschwiegen. Diese Unterstellung wies der Cloppenburger Planungsamtsleiter, Björn Drebermüller, dann auch energisch zurück und erklärte, die Fläche sei teilweise mit Altlasten belastet.
Leider erwähnt der links-grüne Lokaljournalismus das nur am Ende des Artikels, wo doch bekannt ist, dass ein Großteil der Leser*innen die Zeitungsartikel nur zu einem Drittel liest. Wer für die äußerst teure Entsorgung der Altlasten zahlt, wird wohl der Investor am besten wissen: Die Stadt Cloppenburg und damit die Steuerzahler, der anschließend aufgrund erhöhter Steuern, Parkgebühren oder sonstiger Abgaben noch weniger in seinem Portemonnaie finden wird! Wie viel das genau sein wird, wissen die Bürger*innen noch nicht. Politische Intransparenz kann nicht deutlicher in Erscheinung treten.
Und weil der „Rat (…)[den] Haushalt [für 2023] mit Unsicherheiten“ (07) beschlossen hat, sollte man auch über die weiteren Belastungen der Bürger*innen sprechen dürfen, zumal der Haushalt 2023 wieder mal nicht ausgeglichen ist. D.h. die Ausgaben übertreffen die Einnahmen trotz auf 7,4 Millionen Euro schöngerechneter Verschuldung. (08) U.a. durch die z.T. immensen finanziellen Zutaten auf Basis der Freiwilligkeit an Vereine und anderer Interessengruppen. Zugleich sind die von Bürgermeister Varnhorn postulierten Unsicherheiten des Haushaltsplans eine Folge des völkerrechtswidrigen Ukraine-Krieges, also dessen „wirtschaftliche Auswirkungen, die die durch Corona bei weitem übertreffen würden“. (09)
Weiß der Rathaushauschef eigentlich nicht, wie es um die Bundespolitik steht, die sich Sanktionen bedient, die besonders die hiesigen Bürger*innen hart treffen? Hat er Letztere vergessen, also nicht auf dem Schirm? Weiß er nicht, dass diese Politik „dieses Land weiter und mit noch mehr Schwung gegen die Wand“ fährt und gerade das schlimme Folgen für die Finanzpolitik in Cloppenburg haben wird? (10) Verstärkt durch den Handelskrieg mit dem Bündnispartner USA? (11) Was ist z.B. mit dem Beschluss zur Rathausmodernisierung, die im gesamten Gebäude die Installation von energieintensiven Klimaanlagen vorsieht? (12) Kommt man mit den 2,6 Millionen Euro Sanierungskosten eigentlich noch hin? Darüber wird nichts gesagt! Auch nicht darüber, ob die Raumluftfilter zur Corona-Prävention in den städtischen Schulen aus Gründen des Energiesparens bereits stillgelegt sind oder die Klassenräume weniger geheizt werden.
Eine zukunftsfähige Beurteilung der Cloppenburger Finanzpolitik und der damit verbundenen politischen Lage sieht anders aus. Denn nicht nur „in puncto Verkehrskonzepte entwickelt man in und für Cloppenburg regelmäßig Ideen, die für die Tonne sind“. (13) Wie wäre es mal mit ein wenig mehr Ehrlichkeit und weniger hohlphrasiger Symbolpolitik, (14) die den betroffenen Menschen nun gar nicht hilft? (15)
Unabhängig davon wies der Sprecher der Gruppe GRÜNE/UWG während der Haushaltsdebatte auf die mittlerweile eingekehrte Ernüchterung hin, die nun „nach der Aufbruchsstimmung aufgrund eines neuen Bürgermeisters und der vielen neuen Ratsmitgliedern“ eingekehrt sei. (16) Von welcher Qualität diese Aufbruchsstimmung hätte sein sollen und was genau er von den „vielen neuen Ratsmitgliedern” erwartet hätte, lässt der Sprecher im Dunkeln. Doch die Ernüchterung hat sich der Vertreter der GRÜNEN im Übrigen auch selbst zuzuschreiben. Denn mit seinem allzu offen demonstrierten Harmoniebestreben zuvor hatte er seine bitteren politischen Erfahrungen früherer Jahre einfach über Bord geworfen. Wenn ihn dieses Vermächtnis nun eingeholt hat, wäre das eine Erfahrung mehr für ihn und andere. Nach mehr als 40 Jahren in der Politik lernt man also nicht aus.
In all diesen Zusammenhängen ist es zu verstehen, dass seit dem Bürgermeisterwechsel sowohl der Cloppenburger Haushaltsplan 2022 als auch der 2023 , wie in früheren Jahren üblich, nicht mehr im Netz zu finden ist. (17) Interessierten Bürger*innen wird es somit unmöglich gemacht, die Logik des verabschiedeten Haushaltsplans 2023 zu prüfen. Eine gewisse Ernüchterung, verbunden mit viel Misstrauen, ist also begründet. Diese sollte den verdrossenen Bürger*innen durchaus näher liegen als den Ratsvertretern im angenehm geheizten Ratssaal. Die lokalpolitischen Unstimmigkeiten können sich nicht deutlicher zeigen.
So überrascht es auch nicht, dass im Vorfeld der Entscheidung über den „vergessenen Wald“ noch einmal medial kräftig nachgelegt wurde. Somit hieß es: „1182 Unterstützer wollen den Wald retten (…) Bürgermeister Varnhorn nimmt Petition entgegen/ Am Montag entscheidet der Stadtrat über Zukunft des Wäldchens“. (18) Was hier so einfühlsam klingt, ist natürlich der blanke Hohn gegenüber den Klimaaktivisten. Bürgermeister Varnhorn mag die Bittsteller noch so freundlich empfangen haben, doch das Urteil war bereits gefällt.
Hat er ihnen bei dieser Gelegenheit nicht unmissverständlich mitgeteilt, dass der Wald bereits gestorben ist? Wobei es im Vorfeld einer politischen Entscheidung stets so ist, dass sich ein Investor mit dem Bürgermeister trifft, ihm sein Anliegen vorträgt und um Unterstützung für sein Bauvorhaben bittet. Nachdem die Prüfung durch die Verwaltung erfolgt ist, wird grünes Licht gegeben mit dem Hinweis, die politische Entscheidung sei nur eine Formsache. Nicht anders sieht Klimaschutz im „demokratischen“ Kontext aus. Katalysiert durch den parteiübergreifenden Fraktionszwang, der jeden Abgeordneten von jedem selbstständigen Denken entbindet.
Doch wichtig ist der Politik die mediale Darstellung im harmonischen Kontext, wie das Zeitungsbild („Foto: Niemeyer“) (19) suggeriert. Hier zeigen sich u.a. diejenigen Kritiker, die im Vorfeld der politischen Diskussionen wahrlich gepennt haben, indem sie ihren Hausaufgaben nicht pflichtgemäß nachgenommen sind. Sie haben weder das Grundstück, um das es hierbei geht, selbst begangen, noch haben sie die Ausschussprotokolle (richtig) gelesen. Schade um die ehrlichen Bürger*innen, die hierbei massiv durch eine Petition nachlegen mussten und nun bei der Ratsentscheidung am vergangenen Montag bitter enttäuscht wurden.
Ein kritischer Bericht zu diesem Dilemma u.v.m. wird in der Lokalpresse gewohntermaßen wohl nicht zu finden sein. Diese beschränken sich mehrheitlich auf Russland, China oder Iran. Und später, nach dem Kahlschlag des „vergessenen Waldes“ gibt es dann noch billiges Holz von der Stadt Cloppenburg. Bei den derweil kalten Temperaturen des Winters eine willkommene Gabe. Denn die Zeiten sind nicht gut.
Darauf weisen die Headlines in der Münsterländischen Tageszeitung vom 14. Dezember 2022 deutlich hin. In überregionalen Artikeln heißt es u.a.: „EWE erhöht Ladepreise“, „Trinkwasserpreise steigen“, „Nahrung bis zu 21 Prozent teurer“ und „Immer mehr Unternehmen bangen um Ihre Existenz“. (20) Wer sich die Folgen dieses Abbaus von Wohlstand ansehen möchte, muss nur die Cloppenburger Geschäftsbereiche beobachten. „Die Menschen sparen vor allem an Mode und Gastronomiebesuchen (…) Spontan- und Impulskäufe verlieren an Bedeutung“. (21) Nicht nur in Cloppenburg, in einem Landkreis mit prekärer Beschäftigungsstruktur hat aufgrund der verrannten Bundespolitik („mit noch mehr Schwung gegen die Wand“) (22) seit geraumer Zeit ein noch härteres Leben begonnen.
Doch darüber spricht die Cloppenburger Kommunalpolitik nicht. Auch medial bleiben die Sorgen und Nöte dieser Menschen außen vor. Es wird erst gar nicht darüber berichtet. Aus fernen Ländern schon, wobei es vorwiegend nur den Krieg in der Urkraine zu geben scheint. Nicht im Norirak, nicht im Jemen, nicht in Armenien. Aber: Was will man mehr, um zu wissen, was den Cloppenburgern Bürger*innen aktuell wichtiger ist als ein Wald, der laut CDU-Ratsmitglied, Dr. Franz Stuke , nicht nur am 11.11.22 keiner ist, sondern weil es sich dort „auf der Fläche nicht um Bäume handele“? (23)
Na denn: Wenn die Cloppenburger Rathausbewohner also immer noch „an Gespenster glauben“, dann scheint die Welt, wie jeden Tag in der Lokalpresse zu lesen, doch wohl noch in Ordnung zu sein.
Quellen VBue
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