02.10.2025
Stadt lockert Klimavorgaben beim Bauen
Am 24. Februar 2020 stellten die Fraktionen Bündnis 90/Grüne, SPD, UWG so wie die Gruppen CDU/FDP/Zentrum und Sozialliberales Cloppenburg den Antrag, die Anforderungen von Neubauten dem Standard KFW 40 anzupassen und diese in der Satzung der Stadt Cloppenburg festzuschreiben. Dem Antrag lag laut Antrag eine Studie der SWH Südwesthaus Vertriebsgesellschaft mbH, Freiburg i. Breisgau – einer profitorientierten Marketing-Gesellschaft – zugrunde, (01) die seinerzeit den ökologischen Mehraufwand zwischen KfW 55 und KfW 40 mit 1,3 % bis 1,5 % bezifferte. Obwohl erfahrene Bauunternehmer im Oldenburger Münsterland diese Angaben stark anzweifelten und die Kostensteigerung eher bei 10 bis 15 % sahen, wurde Ratsbeschluss mit 33 Ja-Stimmen und 1 Nein-Stimme gefasst. Nach dem Motto: Fraktionsverstand schlägt Sachverstand!
Im Ratsprotokoll heißt es dazu: „Herr Dr. Bergmann ist durchaus für die Erhaltung und den Schutz des Klimas. Er macht jedoch deutlich, dass die ökologischen Kriterien für die Bauherren eine Mehrbelastung bedeuten. Er ist sich sicher, dass der Rat mit diesem Beschluss Bauwillige ausschließt, die sich diese erhöhten Standards nicht leisten können. Er habe nach Gesprächen mit Architekten in Erfahrung gebracht, dass sich die Mehrkosten auf 15 % beliefen. Das mache bei einer Bausumme von 300 T€ immerhin 45 T€ aus. Er weist darauf hin, dass für die Klimaverschmutzung die großen Firmen in der Hauptverantwortung stünden. Bei allem Respekt für die Einheit der Fraktionen macht Herr Dr. Bergmann deutlich, dass Cloppenburg eine Billiglohngegend sei“. (02) Verschwiegen die sehr detaillierte Argumentation gegen den KfW-40-Antrag. (03)
Dennoch ausschlaggeben für die Mehrheit im Rat der Stadt Cloppenburg war u.a. der ungeprüfte Hinweis des Grünen Fraktions-Chefs Jäger in folgenden Worten: Es sei Ziel, „jedem Bauwilligen den Hausbau zu ermöglichen. Laut seinen Informationen sei die Erhöhung von 15 % nicht korrekt. Vielmehr belegen Studien im Auftrag der SWH Freiburg, dass durch die Erhöhung der Standards lediglich ein Mehraufwand von 1,3 % bis 1,5 % zu planen sei“.
Nun hat der Rat in seiner letzten Sitzung die „Klimavorgaben für Neubaugebiete der Stadt Cloppenburg teilweise gelockert, dies geht aus der aktuellen Sitzung des Rates hervor. Letztlich votierten die Lokalpolitiker einstimmig für den Beschlussvorschlag (…)“. Beschlossen wurde u.a. „eine erstmalige Evaluation erst im Herbst durchzuführen - wegen der Corona-bedingten zeitlichen Verzögerung“. Wann diese mit welchem begründeten Ergebnis stattgefunden hat, ist nicht weiter bekannt.
Und nach 5 Jahren heißt es plötzlich in einer Pressemitteilung vom damals agilen Vertreter der bedingungslos grünen Politik und jetzigen Vorsitzenden der SPD-LINKE-Stadtratsgruppe: „Klimaschutz muss sozial verträglich ausgestaltet werden (…) Es nütze wenig, wenn sich junge Familien das Bauen nicht mehr leisten können. Man dürfe nicht riskieren, dass die Grundstücke zu Ladenhütern verkommen: Denn dann haben wir als Kommunalpolitik etwas falsch gemacht.“ (04)
Die Kommunalpolitik hat etwas falsch gemacht? Ja, das ist korrekt! Doch die Umfeld-Bedingungen werden in Berlin gestaltet. Mit gebrochenen Wahlversprechen! Somit schreitet das Verarmungsprogramm immer entschlossener voran. Die Lebensmittelpreise steigen weiter. Seit 2019 sind diese in Deutschland der EZB zufolge um 37 Prozent gestiegen. Für Energie müssen die Haushalte seit 2022 gut 78 Prozent mehr bezahlen. Versicherungsfremde Leistungen werden den Sozialkassen entnommen. Mit der Folge, dass die Krankenkassen, die mittelbar auch die Pharmawerbung in den Tageszeitungen zu bezahlen haben, bei den versicherten immer höhere Beiträge einfordern. Nun soll auch die Pflegestufe 1 abgeschafft werden. Als Beruhigungspille wird dann die durchschnittliche Inflationsrate von ca. 2 Prozent herangezogen. Wohlwissend, dass diese Teuerungsrate für sehr Wohlhabende z.T. weniger als 1 Prozent und für die niedrigeren Einkommen bis zu 70 Prozent ausmachen kann. Soviel Ehrlichkeit muss sein, die Kommunalpolitiker offenbar nicht auf den Weg bringen möchten. (05)
„Etwas falsch machen“ bezieht sich nur auf einen sehr engen Rahmen. Dieses Framing könnte nicht heuchlerischer sein. Das persönliche Bekenntnis wäre zu begrüßen, wenn nicht die Kommunalwahl 2025 und die Landtagswahlen 2026 anstünden. In beiden Fällen haben sich Cloppenburger Kommunalpolitiker bereits mehrmals selbst ins Rennen gebracht und das auch exklusiv in der Presse verwursten können. Also nicht selbstlos, sondern aus politischem Eigeninteresse!
Seine Kehrwende im Fall der ökologischen Kriterien in der Cloppenburger Bauleitplanung könnte nicht aufschlussreicher sein. Offensichtlich geht es nicht um das Wohl der Bürger, sondern um individuelle Eigeninteressen! Im Jahr 2020 behauptete er laut Ratsprotokoll noch, er sei sich sicher, „dass die Belastungen für die Bauherren vertretbar seien. Ohne die Mehrbelastung klein reden zu wollen, betont er, die Fördersätze seien angehoben worden und die Einsparung an Energiekosten seien erheblich“. (06) Einen ökologischen Widerspruch zum geplanten Mobilitätszentrum – sprich Parkhaus östlich des neuen LZO-Gebäudes - am Rande der Soeste sieht er - wie auch seine Ratskollegen - natürlich nicht. (07)
Nicht ganz so einsichtig scheint sich der Gruppenchef der Grünen und der UWG zu gebaren. „Wir haben die Vorlage erst wenige Tage vor der Sitzung bekommen. Es braucht aber mehr Zeit für eine sachgerechte Entscheidung“, heißt sein Statement, wobei er sich nicht der Ja-Stimme verweigert hat. Also: Lautstark den KfW-Antrag aus dem Jahr 2020 befürworten, kleinlaut den eigenen Rückzug davon im Jahr 2025 abwiegeln. Bürgermeister und Verwaltung tragen also die Schuld. Sie hätten zu spät informiert und den Grünen die Zeit zum Nachdenken darüber genommen, so der Vorwurf. Aber haben sie denn nicht 2020 über die Folgen des KfW-Antrags nachgedacht? Mögliche Auswirkungen dieses Fehlbeschlusses wurden bereits 2020 detailliert aufgelistet. (08) Nein, das übergeordnete Parteiprogramm hatte Vorrang.
Zuletzt bringt es Professor Dr. Beeken den Sachverhalt auf den Punkt: „Man soll sich das Bauen weiter leisten können“, behauptet er. Aber das mit der Einschränkung, dass trotz der Anpassung weitere ökologische Vorgaben bestehen bleiben würden. „Beeken nannte Solarmindestflächen oder die Dachbegrünung. (…) So würden in dem Baugebiet gar keine Gasleitungen mehr verlegt, es müssten alternative Technologien genutzt werden“, heißt es im heutigen MT-Artikel. Dass Solarmindestflächen, Dachbegrünung und alternative Technologien wie die Wärmepumpe mit hohen Investitionskosten verbunden sein könnten, darauf kommt Beeken nicht. Dass die Gasheizung früher als gedacht ein Comenback feiern könnte, kommt für die Kommunalpolitik nicht infrage. Dann sollen doch die Gasleitungen fehlen. Die Kritik am Verbrenner-Aus lässt grüßen. (09)
Erinnert sei an beschlossenen Grundstückspreise und die Möglichkeit der Erbpacht-Verträge, die angeblich mit Vergünstigungen einhergehen. Laut Beschluss liegen hierbei die Quadratmeterpreise zwischen 150 und 210 Euro. (10) Der nominelle Erbpacht-Betrag läge somit bei mehr als 250.000 Euro pro 99 Jahre. Das ist die Zeit, die für die der Pachtvertrag gilt. Bei einem Kaufpreis von mehr als 75.000 Euro pro Grundstück rechnet sich das ganz und gar nicht! Erfolgt nun ein weiterer Vorstoß der Stadt Cloppenburg, das Bauen wieder attraktiver zu machen? Nein, denn ergänzend sollte nicht vergessen werden, dass die Grundsteuer B von 330 Prozent auf 369 Prozent angehoben wurde. (11) Und das nach einem Beschluss derjenigen, die vorgeben, das Bauen billiger machen zu wollen! Denn diese Erhöhung wirkt sich auf die Nebenkosten für Miete und Eigentum aus!
Insgesamt besteht begründeter Zweifel daran, ob das Bauen mit dem aktuellen Vorstoß zumindest für das Referenzjahr 2020 nun wirklich günstiger wird. Je näher die Kommunalwahlen 2025 und die der Landtagswahlen 2026 rücken, desto rabattaffiner zeigt sich die Kommunalpolitik auf lokaler Ebene. Nunmehr will sie den im Jahre 2020 abgehängten Familien mit Kindern ein gutes Angebot auf Steuerzahlerkosten unterbreiten. Die Protagonisten merken aber nicht, dass es ihen um eine raffinerte Mogelpackung geht, dessen Kosten allgemein nicht überschaubar sind.
Ähnliches zum Thema Krankenhausreform: Einerseits ist klar, dass diese mit der Schließung vieler Krankenhäuser im Oldenburger Münsterland verbunden ist, anderseits prahlen die örtlichen Mitglieder eben dieser Parteien mit ihrer Unterstützung in Form von fragwürdigen Millionenzuschüssen für Krankenhäuser in Cloppenburg und Friesoythe. (12) Dass diese Kredite, die keine der etablierten Bankhäuser jemals gewähren wollten, zur Tilgung der Insolvenz (13) aus den Taschen der Steuerzahler wohl nicht zurückbezahlt werden können oder müssen, liegt auf der Hand. Kritik an diese Form der Beteiligung? Eher selten!
Dieses öffentlich eher unverständliche Gebaren findet seine Fortsetzung im stets gehypten Verkehrskonzept. Nunmehr in einer Versuchs-Planung, wobei (offensichtlich lebensmüde) Radfahrer künftig das Tempo für PKW vorgeben sollen. In der Mitte, zwischen verengten Fahrstreifen in der Cloppenburger Eschstraße. (14) Vergessen das gescheiterte Projekt in der Kirchhofstraße. (15)
Das alles überzeugt die Cloppenburger Bürger nicht wirklich. Proteste dagegen werden ignoriert und verschwiegen. Denjenigen, die sich zu lautstark mit dem Gebrauch verlotterter Ausdrücke positionieren, soll es nun an den Kragen gehen. (16) Offenbar ist es schick geworden, sich zur Gruppe der Kränkungsopfer zu bekennen. Kein Wunder also, dass so manche politische Partei zur nächsten Kommunal- und Landtagswahl derbe Verluste in Kauf nehmen könnte. Die Umfragewerte zur Niedersachsenwahl 2026 sprechen Bände! (17)
(01) https://bauen-pfalz.tc.de/massivhaus.html
(02) Vgl. Ratsprotokoll, TOP 18: Berücksichtigung ökologischer Kriterien in der Bauleitplanung Antrag Fraktion B 90/Grüne, SPD- Fraktion, UWG-Fraktion, Gruppe CDU/FDP/Zentrum und Gruppe Sozialliberales Cl`bg. gemäß § 56 NKomVG vom 24.02.2020, 25.05.2020.
(03) https://www.hermannbergmann.de/html/kfw_40.html
(04) https://www.om-online.de/om/klimavorgaben-in-baugebieten-stadt-cloppenburg-im-spagat-zwischen-oekologie-und-wirtschaft-820671
(05) https://overton-magazin.de/top-story/die-koalition-von-not-und-elend/
(06) Vgl. Ratsprotokoll vom 25.05.2020
(07) https://www.om-online.de/om/stadt-cloppenburg-drueckt-aufs-tempo-mobilitaetszentrum-und-naturpark-sollen-spaetestens-2027-fertig-sein-663128
(08) https://www.hermannbergmann.de/html/kfw_40.html
(09) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/ministerpraesident-olaf-lies-haelt-striktes-verbrenner-aus-fuer-unrealistisch,verbrenner-108.html
(10) https://www.om-online.de/om/neubaugebiet-in-cloppenburg-mit-diesen-grundstueckspreisen-muessen-bauwillige-rechnen-738795
(11) Vgl. Cloppenburger Haushaltsplan 2025.
(12) https://www.om-online.de/om/stadt-cloppenburg-unterstuetzt-st-josefs-hospital-761589
(13) https://www.om-online.de/om/insolvenzverfahren-reform-zeitplan-und-kosten-das-ist-der-aktuelle-stand-auf-der-krankenhaus-baustelle-717429
(14) MT, Stadt plant Versuch auf Eschstraße, 21.06.2025.
(15) https:// www.hermannbergmann.de/html/fahrradstrasse.html
(16) https://www.om-online.de/om/kommunalpolitiker-marco-beeken-spricht-ueber-hass-in-den-sozialen-medien-und-dann-denkt-man-irgendwann-ist-schluss-es-reicht-811371
(17) https://dawum.de/Niedersachsen/
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